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Codex Pragensis XIII G 14 | 187
die dem bekanntermaßen an epigraphischen Altertümern interessierten Tiroler im
Jahre seiner Übersiedlung nach Wien eine „Freude“ bereiten sollten.784
Die letzte Lage der Prager Pergamenthandschrift, die zur Gänze aus Fuchsmagens
Hand stammt, ist heute nicht in der ursprünglichen Form im Codex eingebunden;
die richtige Reihenfolge müsste „fol. 225, 226, 222, 223, 224“ lauten.785 Die Überschrift
„ELOGIA PETOVINA“ trifft nur für die ersten fünf Inschriften bzw. Inschriftenfrag-
mente zu, denn es folgen unmittelbar und abermals ohne Ortsangabe aus der
heutigen Steiermark zwei erhaltene Denkmäler aus Graz-Straßgang (CIL III 5435)
und Wildon (III 5424)786 sowie ein verschollenes (CIL III 5425). Sichere Rückschlüsse
auf den Herkunftsort des letztgenannten Denkmals sind aus der gemeinsamen
Überlieferung mit den anderen beiden Inschriften nicht zu ziehen. Es gilt aber als
wahrscheinlich, dass diese Inschrift aus dem nahen Leibnitz/Flavia Solva stammt.787
Sie ist im Codex auch an einer weiteren Stelle verzeichnet, und zwar unter den fünf
Inschriften der Grazer Burg.788 Offenbar wurde der Text der Inschrift noch am
ursprünglichen Standort transkribiert, da die übrigen Denkmäler, die vor bzw. um
die Wende zum 16. Jahrhundert auf die Burg gebracht wurden, hier keine Er-
784 Vielleicht ist dieser Scherz ursächlich sogar mit einem anderen in Verbindung zu bringen, den sich
Fuchsmagen mit seinem Tiroler Freund und Reliquiensammler Florian Waldauf erlaubt hat. Nach
Ruf, Fuchsmagen 118, hat ihm Fuchsmagen aus Wien zwei alte Zähne geschickt mit dem Vermerk,
sie würden vom hl. Christoph stammen. Waldauf fiel aber offenbar nicht darauf hinein, denn er
verwahrte die angeblichen Reliquien nicht bei den übrigen in der von ihm gestifteten und noch
heute nach ihm benannten „Waldaufkapelle“ in der Nikolaus-Pfarrkirche in Hall, sondern in einer
Truhe in seinem Schloss Rettenberg.
Die noch ungeklärte Frage, wann nun das gefälschte Bronzetäfelchen von CIL III 4560 entstanden
ist, lässt sich möglicherweise mit einem Blick auf Wolfgang Lazius beantworten. Dem Text auf
dem Täfelchen steht nämlich die letzte von insgesamt drei Wiedergaben in seinen „Commentarii
reipub(licae) Romanae“ (Basel 1551, 214, 671 und 1160) am nächsten, wie Ekkehard Weber im
Rahmen der 33. Papyrologisch-epigraphischen Werkstatt am Institut für Alte Geschichte und
Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien am 12. Dezember 2011
mitgeteilt hat. Während eine weitere Wiedergabe in Lazius’ „Vienna Austriae. Rerum Viennensium
commentarii in quattuor libros distincti“ (Basel 1546, 28–29) jener von Seite 214 der „Commentarii“ fast
exakt gleicht, weist seine älteste handschriftliche Wiedergabe im CVP 7894 hingegen die größte
Ähnlichkeit mit dem Text des Druckwerkes von Apianus/Amantius und auch mit Fuchsmagens
Text im Codex Pragensis auf. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich der Text der Inschrift bei
Lazius mit jeder Wiedergabe von der Version des Prager Codex bzw. von Apianus/Amantius ent-
fernt und dem im 20. Jh. aufgetauchten „Original“ immer ähnlicher wird. Da Lazius auch für
Fälschungen berüchtigt ist, drängt sich der Verdacht auf, dass zu einer fingierten Fundnachricht
aus dem Jahr 1493 zu Lazius’ Zeiten (auf dessen Veranlassung?) das entsprechende „Fundstück“
angefertigt worden ist. Um diese These zu erhärten und die noch offene Frage, wie das Täfelchen
nach Prag gekommen sein könnte, zu klären, sind weitere Untersuchungen (v. a. in Hinblick auf
die Biographie und Arbeitsweise von Wolfgang Lazius) erforderlich. Sie können daher nicht im
Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführt werden, sondern müssen späteren Forschungen
vorbehalten bleiben.
785 Siehe Kap. 7.1.
786 Beide werden auch von Augustinus Prygl Tyfernus mit den oben genannten Herkunftsangaben
überliefert: Siehe Kap. 4.3.
787 Vgl. Weber, RISt 55 (Nr. 4).
788 CP XIII G 14, fol. 195v,2. Zu diesen Inschriften vgl. Kap. 3.1.
Bemerkenswerterweise ist CIL III 5425 auch bei Apianus/Amantius zwei Mal zu finden, und zwar
unter den Inschriften der Grazer Burg (Inscriptiones 388,3) sowie unspezifiziert unter den Inschrif-
ten aus Pettau/h. Ptuj (Inscriptiones 383,3)! Vgl. Kap. 10.5.2 (Pkt. 4) und 10.6.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548