Seite - 176 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

176 Mai 1872 145 150 155 160 165 ändern. Es ist mir, als werde dem bei Leibesleben apotheosirten Künstler sein gan- zer Pflichttheil an Ruhm sofort auf die Hand ausgezahlt und es werde dann bei der Nachwelt das folgen, was die Juristen die „Anrechnung zum Pflichttheile“ für gewisse im vorhinein erhaltene Gaben nennen. Ein Grieche würde, wie gesagt, vielleicht besorgt auf Polykrates geblickt haben. Der alte, fromme Haydn empfand etwas Aehnliches, – in jener berühmten Aufführung der „Schöpfung“ rief der Greis: „Alles von dort oben“ und wenn während einer Aufführung desselben Ora- toriums in Augsburg bei der Stelle „schrecklich rollten die Donner umher“ plötz- lich wirklicher Donner ertönte und sofort jemand improvisirte: „schweigt Alle, die ihr kritisirt, hier hat der Himmel selber applaudirt“, so war das eben ein gutge- meinter Scherz über den Zufall und weiter nichts – und höchstens Phidias, der im Tempel zu Olympia zu Zeus um ein Zeichen der Zustimmung betete, durfte den Donnerschlag für ein „Ja“ der Götter nehmen. Nun war es diesmal eigen und hübsch, daß der Himmel es übernahm den Effect von Wodans Zauberspruch durch zweckmäßige Verstärkung der Instrumentation zu erhöhen – es zog sich nämlich ein starkes Gewitter zusammen und eben als Wodan der leckenden Lohe Loges rief, rollte der erste Donner und Donnerschläge begleiteten die „wabernden“ Flammen. Und wir alle gingen dann, eine Schaar heroischer Taminos, aus dem musikalischen Feuer ins veritable Wasser, denn eben als das Concert aus war, goß es wie aus Kannen. In einer Ansprache, die Wagner an die Versammelten richtete, berief er sich auf das Zeugniß, das ihm hier der „donnernde Zeus“ gebe. – Als Cardinal Mazarin auf dem Todtenbette lag, meldete man ihm, es zeige sich am Himmel ein Komet. „Ach“, rief der Sterbende, „dieser Komet erweist mir wirklich zu viel Ehre!“ Hätte man von einem so großen Manne wie Mazarin dergleichen für möglich gehalten?! Rezensierte Veranstaltung Wagner-Konzert, 12. Mai 1872, MVgr. Rezensierte Werke Beethoven: Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (Eroica) ◼ Richard Wagner: Ouvertüre zu Tann- häuser (Pariser Fassung), „Vorspiel“ und „Liebestod“ aus Tristan und Isolde, „Wotans Abschied und Feuerzauber“ aus Die Walküre Erläuterungen 5 Wagner-Concertes] Das Konzert wurde „zu Gunsten unbemittelter Musiker und Kunstjün- ger“ veranstaltet. Ziel war es, für mittellose Musiker sogenannte Patronatsscheine für Wagners Bühnenfestspiel in Bayreuth anzukaufen. Unmittelbar nach dem Wr. Wagner-Konzert wurde am 22.  Mai 1872 der Grundstein des Wagner-Festspielhauses in Bayreuth gelegt. ◼ 16–20 Ich gedenke … auseinandersetzte] Die Begegnung mit Wagner in Dresden schildert Ambros auch im Feuilleton „Wagneriana  II“, in: NFP (1871), Nr.  2513, 24.  August. ◼ 24 Kittl] Johann Friedrich Kittl (1806–1868), Direktor des Prager Konservatoriums; befreundet mit Wagner, des- sen Tannhäuser 1854 unter der Mitwirkung des Konservatoriumsorchesters in Prag erstauf- geführt wurde. ◼ 41 von Wagner hinzucomponirte Schluß] Konzertschluss zur Ouvertüre von Christoph Willibald Glucks Iphigenie in Aulis WWV  87. Die Ouvertüre mit dem Wagner-Schluss