Seite - 229 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

229 August 1872 160 165 170 175 180 185 190 195 200 wir werden von Herrn Bel selbst hören, worin sie bestand. Das sollte 19 Jahre später seine Früchte tragen – im Jahre 1733 wurde Francisci als Director der Musik nach Preßburg berufen; am 19.  April 1733 meldete ihm nämlich der wohlehrwür- dige Bel brieflich, daß ihn „ein so ansehnliches Amt zu bekleiden, gute Freunde dem löblichen Convent procul odio et gratia vorgeschlagen und zwar mit dem gewünschten Erfolg“, – er werde zwar von Neusohl nach Preßburg übersiedeln müssen: „der stärkeste Beweggrund zurückzubleiben, wird natale solum sein; aber satis datum patriæ, wo Gott zu Hause ist, ist das nicht ein Vaterland?“ Wir dürfen allenfalls lächeln, wenn wir hier erfahren, daß Gott der Herr selbst in Preßburg zu Hause ist! Ein bedeutungsvolles Postscript sagt: „Die Accidentia werden bei guter Conduite des Directoris um ein merckliches wachsen. Vide modo, ne amore patriæ relucteris Deo.“ Ein zweites Schreiben Bels, das rasch dem ersten folgte (am 26.  April 1733), verdient hier ganz mitgetheilt zu werden: „Wohl-Edler, sehr werthgeschätzter Gönner! Ich hoffe mein Schreiben werde ihnen zu rechte geworden seyn. Sie wer- den daraus vernommen haben, wie ein löblich Kirchen-Convent gegen Sie ge- sinnet sey. Nun kann zwar nicht wissen, was der conflictus primarum cogitationum bey Ihnen für eine Vorstellung werde gemacht haben; doch hoffe gäntzlich, Sie werden nicht mit Fleisch und Blut zu Rathe gehen. Ich führe Ihnen, mit allem Bedachte, zu Gemüthe die Arie, welche Sie Anno 1714 den 18.  April bey meiner sehr merckwürdigen Schul-Valete cum Choro musico abgesungen. Es hieß, Bel ging ab, wüste Felder anzubauen. Das ist eingetroffen, und, Gott allein in der Höh sei Ehr, wohl gelungen. Mich reuet es auch nicht, hieher gekommen zu seyn. Ich deu- te es nun auf meinen hochgeehrten Herrn, er solle der Ohim und Zihim wilde Stimmen in einer so lieben Gemeine, die ja noch die Zierde des ungarischen Zions seyn kann, in ein liebliches Allelujah verwandeln. Sie finden Liebe, Geneigtheit, Förderung, und, nach Gottes Willen, ein Mehrers – sed satis, nolo uti argumentis humanis. Istud cogita: Presburg stehet an der Spitze, das will Leute haben. Lencket Gott Ihr Hertz zu uns, und Sie brechen durch die Mauren Jericho hindurch, so bitte nomine Conventus auf einen Præcentorem bedacht zu seyn. Er kömmt fast über 200  fl. und ist ein geringes, ihn, wo er sich meritirt, noch höher zu bringen. Nunc te virum præsta! Von Ihrer Jugend an habe gemerckt, daß Gott Sie zur Musik be- stimmet. Hic Rhodus, hic salta! Ich bitte mir eine baldige cathegorische und un- gezweifelte Antwort aus, dabei wünsche: der Geist des Herrn ruhe über Sie, und lencke Ihren Willen nach seinem Wohlgefallen. Der Herr sey mit Ihrem Geiste. Ich aber bin u. s. w. ergebener Bel.“ Im October trat Francisci seinen Posten in Preßburg an: „Ich fand daselbst die beste Gelegenheit, meine musicalischen Be- mühungen fortzusetzen, indem ich das Glück hatte mit den großen Virtuosen der Ertzbischöflichen und Hertzoglichen Kapelle bekannt, und dabei von unnützen Leuten beneidet zu werden, denn das ist auch ein Glück.“ An seinem Geburts- und Namenstage 1734 führte sein Chor eine von ihm selbst componirte Cantate zu seinen Ehren auf. Aber es fehlte auch nicht an Verdruß: „Mein Hertz wurde geängstet und gedrückt, nicht anders, als wenn man die presburger Trauben in Herbstzeiten unter einer Kelter presset.“ Francisci setzte nicht weniger als 16 Beschwerdepunkte auf, darunter: „2. weil mir zwar viel versprochen, aber wenig