Seite - 377 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

377 Jänner 1873 135 140 145 150 155 Ich habe mit dem Componisten hier als Freund und wahrlich als wohlmeinender Freund gesprochen, obwohl ich glaube, daß er mir es jetzt nicht danken wird – vielleicht aber nach Jahren. Im Pater Abraham a St.  Clara steht irgendwo eine Geschichte, wie einer einen ins Wasser Gefallenen bei den Haaren herauszog und so rettete – aber dieser schmälte, daß er so rücksichtslos gerauft worden sei. Dixi et salvavi etc. Frau Wilt und Herr Müller sangen die vorkommenden Soli vortrefflich, so auch Herr Krauß einige Lieder, bis auf die Schlußworte des ersten: „Mein Lieb’, ich hab’ an dich gedacht“, welche klangen, als gucke die Schöne aus dem vierten Stockwerke und der Liebende und Sänger gebe ihr jene Versicherung von der Straße aus. Der Beifall war orkanartig. Wenn Beethoven aus dem Jenseits wiederkäme mit einer neuen Eroica oder C-moll-Symphonie unter dem Arme, so wäre dies viel- leicht das Rechte gewesen. Der unbequem aufrichtige Freund muß schon wieder sagen: Täusche sich der Künstler nicht – er wird nicht immer dieses Publicum vor sich haben, sondern zuweilen auch ein etwas anders zusammengesetztes. Es giebt auch Pyrrhus-Siege und nicht jedes Neugeborne, das die Korybanten mit tosen- dem Lärm und Halloh begrüßen, ist deßwegen auch schon ein Götterkind wie der kleine Zeus. Möge uns Sucher in seinen nächsten Leistungen Anlaß bieten, sein Talent, das wir jetzt schon mit vollem Antheil begrüßen, geklärter, gereinigter, reifer wiederzufinden – er suche ferner den Weg ins Operntheater, er studire aber, wie gesagt, recht fleißig Gluck und (kaum wage ich es angesichts der Wagneriten zu sagen) – Mozart. Und dann will ich sehen, ob die Kränze nicht voller und rei- cher und nicht bloß aus Flitter- und Knallgold zusammengeflochten sein werden! Rezensierte Veranstaltungen Erste Trio-Soirée von Anton Door, 18. Jänner 1873, Bösendorfersaal ◼ Kompositionskonzert von Joseph Sucher, 19.  Jänner 1873, MVgr. Rezensierte Werke Beethoven: Klaviertrio D-Dur op. 70 Nr. 1 (Geistertrio) ◼ Boccherini: Violoncellosonate A-Dur G4 (1. Satz) ◼ Joachim Raff: Klaviertrio D-Dur op.  158 ◼ Rust: Violinsonate d-Moll ◼ Sucher: „Aus alten Märchen“, „Die Seeschlacht von Lepanto“, Nr.  1 „Liebesglück“ aus Lieder und Gesänge, Waldfräulein Erläuterungen 5 Popper] David Popper (1843–1913), Violoncellist und Komponist; Studium am Prager Konser- vatorium; 1868–1873 erster Solocellist des Wr. Hofopernorchesters, Mitglied des Hellmesberger- Quartetts, zahlreiche Auftritte mit seiner Ehefrau, der Pianistin Sophie Menter. ◼ 5 Walter] Joseph Walter (1833–1875), dt. Violinist, Konzertmeister in München. ◼ 15f. „Die Hoffnung“ op.  94] „An die Hoffnung“ op.  94. ◼ 18 „von den Vampyren … angefallen“] Freizitat aus: Hespe- rus oder 45 Hundposttage, in: Jean Paul, SW, Abt.  1, Bd.  1, S.  703. ◼ 26 Adagio von Boccherini] aus der Violoncellosonate A-Dur G4. ◼ 28 Rust] Friedrich Wilhelm Rust (1739–1796), dt. Vio- linist und Komponist. ◼ 49 wie einst auch Franz Schubert that] → Nr.  42/Erl. zur Z. 8f. ◼ 50 Joseph Sucher] (1843–1908), Dirigent und Komponist; 1870–1874 Korrepetitor und