Seite - 424 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

424 März 1873 135 140 145 150 155 160 165 170 175 Tausig nicht gefühlt, wie die reizende Anmuth des Weber’schen Stückes unter seiner plumpen Belastung mit Brillanten erliegt und erstickt? Die Herren sollen mit neuen Geistesthaten ihres Genius so viel Notenpapier veredeln oder verderben, als sie wollen, aber unsere besten Besitzthümer sollen sie unangetastet lassen! Wir dürfen indessen nach diesem glücklich gemachten Anfang mit einigem Grunde hoffen, nächstens einen „nach den Bedürfnissen moderner Kunst und Kunstan- schauung“ umgearbeiteten Beethoven zu erhalten. Einen sehr schönen und sehr verdienten Erfolg errang der Violinist Ševčik. Er war als „absolvirter Musikstudent“ des Prager Conservatoriums ein Eleve, auf wel- chen das Institut große Hoffnungen setzen durfte, und er hat diese Hoffnungen mehr als erfüllt. Er zählt unbedingt zu den Meistern des Instrumentes. Bisher in Salzburg angestellt, hat er, wie ich höre, ein Engagement in Wien angenommen. Freuen wir uns dieses Gewinns! Ein wackerer „Geiger“, ein gewisser Wilhelmi, der gleich einem gewissen Joachim, und letzterem ebenbürtig, auf seinem Instrument nicht völlig Mißlun- genes leisten soll, wollte im musikalischen Wien ein Concert veranstalten, ver- schmähte es aber, vor sich hertrommeln zu lassen, da er leichtsinniger Weise vor- aussetzt, sein Name sei nicht ganz unbekannt. „Das Concert unterblieb aus Mangel an Theilnahme.“ Der talentvolle Pianist Emil Weeber gab ein Concert, in welchem er unter Anderem mit dem Violinisten Herrn Maxintsak Beethovens Sonate op.  24 (hic et ubique? würde Hamlet dieser Sonate zu rufen) schön und des Werkes würdig vor- trug und sich in Raffs pikanter Polca de la Reine als Brillantspieler bewährte. Viel Beifall fand Herr Dr. Kraus mit dem Vortrag einiger ansprechenden Liedernovitä- ten von Weinzierl; zwei junge Damen, Fräulein Eleonore Joerdens (Sopran) und Fräulein Marie von Steinburg (Mezzosopran) gefielen sehr, besonders klangen in einem schönen Duett von Rubinstein die Stimmen sehr angenehm zusammen. Die anmuthigen Kunstnovizen sind Schülerinnen Heinrich Prochs. Seine Tochter Fräulein Louise Proch zeigte mit der Mozart’schen Sextus-Arie in der „Zöglings- production des Conservatoriums“ schöne Fortschritte, welche eine glückliche Laufbahn der jungen Sängerin mit Zuversicht erwarten lassen. Den Klavierpart führte Herr Stiasny recht schön aus. Auch Fräulein Wiedermann fand mit der Linda-Polonaise Donizetti’s verdienten Beifall. Reinhold Hummer, der Cellist, wird hoffentlich bald auch einen weit bekann- ten Namen haben, schon im Abschiedsconcerte Fräulein Anna’s v. Angermeyer war uns seine vorzügliche Ausbildung sehr angenehm aufgefallen. Die Violinisten Nikisch und Radnitzky spielten ein prächtiges Doppelconcert von J.  S. Bach wie „geigende Dioskuren“ – alle Ehren Hellmesberger für seine im Bach’schen Geiste erfundene Cadenz. Die Pianistinnen Anna Schetril und Marie Baumann theilten sich in Beethovens G-dur-Concert und bestanden die schwere Probe mit Ehren; ebenso spielte Fräulein Tornay recht brav den ersten Satz des Cis-moll-Concertes von Ries. Es geht durch diese Zöglingsabende ein Hauch von Jugendfrische, wel- cher sehr wohlthuend ist. Von unserer werthen Auguste Auspitz-Kolar und ihren Trio-Soiréen behalte ich mir für demnächst ein Wort vor.