Seite - 430 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

430 März 1873 155 160 165 170 175 180 185 190 195 der „Muette“, gesungen von den Herren Naudin und Graziani, ein Paganini’sches Concert von August Wilhelmi, Rossini’s Cenerentola-Rondo von Barbara Marchi- sio, eine Arie aus Donizetti’s „Tasso“ von Graziani, die Schmuckarie aus Gounods „Faust“ von der Patti; wieder Violinstücke von Wilhelmi, die Barcarole Fra Diavo- lo’s, gesungen von Naudin, Eckarts Echolied von Adeline Patti, die Cavatine Fer- nando’s aus „Cosi fan tutte“ mit Naudin, eine anfangs etwas nachtwächterartig klingende französische Romanze, vorgetragen von Herrn Vidal, und zum Schlusse das Spinnquartett aus „Martha“ mit den Damen Patti und Marchisio und den Herren Naudin und Graziani – Herz, was begehrst du mehr! Es wurde uns bei so vielen Kräften ersten Ranges und bei dem bunten Programm ganz „ullmannisch“ zu Muthe. Sollen wir hervorheben, was uns den reinsten und höchsten Genuß gewährte, so nennen wir (Adelina möge die Ungalanterie verzeihen) die Violinsoli Wilhelmi’s. Sein Vortrag oder Gesang des Schumann’schen Abendliedes, ganz auf der G-Saite gespielt, wird noch lange in uns nachtönen. Es war hübsch, wie die Zuhörer gleich bei den ersten Tacten des Solo im Paganini’schen Concert einander ansahen, und als das erste Tutti kam, übertönte der Applaus das Fortissimo des Orchesters. Wilhelmi hat es ein für alle Mal gewonnen. „Seine Geige sei eine zwei- te Patti“, meinte ein Nachbar. Die erste, veritable Patti bezauberte uns mit dem Echoliede. Der blitzschnell antwortende Echoeffect mezza voce ist ein größeres Kunststück, als Manche denken. Ganz wundersam anmuthig klangen die deut- schen Worte im Munde der Sängerin. Dem Pianisten Sigismund Blumner möchte ich zurufen wie Götz dem Lerse: „Ich danke Euch, daß Ihr mich mit einem braven Manne bekannt macht“; bei Blumner gleichen der Mann und der Pianist einander zum Erstaunen, beide sind aus ganzem Holze. Sein Spiel ist kraftvoll, energisch bis zur Heftigkeit, geistreich und wo nöthig brillant, seine Technik eine höchst bedeutende. Große Freude hat er uns mit Hummels Sextett [sic] gemacht. Diese Composition, classisch und bril- lant zugleich, ist augenscheinlich durch Mozarts herrliches Klavierquartett [sic] in Es angeregt und wetteifert eben so unverkennbar mit Beethovens Septuor. Das Brillantspiel des Virtuosen kommt hier als neues Element hinzu. Es liegt ein ganz wunderbarer Wohlklang in diesen Combinationen von Klavier, Flöte, Waldhorn u. s. w. – ein Zauber, den O.  Jahn mit Recht auch an dem Vorbilde des Mo- zart’schen Werkes hervorhebt. Ich erinnere mich Hummels noch aus meinen frü- hen Knabenjahren; so wenig ich mich auf mein damaliges Urtheil verlassen kann: es scheint mir doch, daß Hummel weder die Technik, noch den geistvollen Vor- trag besaß, mit welchem wir seine edle Composition diesmal von dem jüngeren Künstler zu hören bekamen. Die Herren Unger, Pöck, Kleineke, Nikisch, Giller und Simandl wirkten in ausgezeichneter Weise mit. Das Concert des akademischen Singvereins brachte als Novität einen Chor von Engelsberg „An Diana“ – eine Composition von großem Wohllaut und schö- ner Empfindung. In dem Chor „Ein armer Mann, ein braver Mann“, dessen Text von Rob. Burns eine sehr wackere Gesinnung mit einer Art naiven plebejischen Trotzes ausspricht, hat Goldmark den angemessenen Ton in sehr glücklicher Weise getroffen. Unbegreiflich, daß das Stück so gar keinen Erfolg hatte, und eben so unbegreiflich, daß das recht rohe Effectstück des „Piratengesanges“ von J.  Otto –