Seite - 435 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

435 April 1873 100 105 110 115 120 125 130 Geigen leicht und anmuthig wie Grazien daher, aber sofort beginnt auch die Re- spectsperson des Contrabasses zu tanzen! Pikante Rhythmen necken fortwährend, mit dem plötzlich abbrechenden Schlusse erreicht der Muthwille den höchsten Grad. Der Menuett feierlich und prächtig. Nun aber das Finale! Hat denn noch niemand bemerkt, daß das unwillkürlich zum Lachen reizende erste Motiv die Parodie des anmuthigen Allegretto-Motivs ist, welches hier gleichsam umgestülpt und auf den Kopf gestellt wird? Und nun plötzlich – ein Ruck in die Obersecunde und ein wundersam edler Gesang ertönt, so ideal, so innig wie möglich – und wieder necken die Kobolde – bis Beethoven plötzlich wie ein Prospero unter sie tritt und die komischen Gestal- ten, von ihm verscheucht, sich in die weiten Himmel des Erhabenen verfliegen, in welche jener den Ausblick eröffnet. Aber gleich sind sie wieder da und hüpfen nach Herzenslust – und wie nun der edle Gesang sie nochmals ablöst, kann der schwer- fällige Contrabaß nicht umhin, ihn aufzugreifen und mit erschrecklicher Senti- mentalität nachzusingen oder nachzubrummen. Zwischendurch spuken die ne- ckenden Octaven des ersten Stückes herum – selbst die Pauken sind in diesem Intervall gestimmt. Zuletzt wirbelt Alles wie ins Nichts aus einander, aus dem noch einmal das gellende Spottgelächter der Kobolde heraustönt – „der Humor liebt den leersten Ausgang“. Herr v. Lenz, der bekannte russische Beethoven- Freund, erklärt allerdings dieses Final für einen „Waffentanz!“ Nun, wenn Beet- hoven und Czar Iwan der Schreckliche damit einverstanden sind, uns anderen kann’s recht sein! Die Trio-Soirée unserer geschätzten Auspitz-Kolar und Wilhelmi’s Concert zu besuchen hinderte mich ein Unwohlsein, das ich um so mehr beklage, als ich höre, daß Wilhelmi’s Erfolg ein ganz außerordentlicher gewesen. Da er noch ein Con- cert geben wird, so soll es mir lieb sein, das unfreiwillig Versäumte nachholen und eine eingehendere Charakteristik des herrlichen Künstlers geben zu können. Gestehen muß ich, daß ich mich schon jetzt auf die kommende Serie der phil- harmonischen Concerte freue. Im Namen der Kunst sind und bleiben wir Otto Dessoff und seinem Orchester wahrlich den wärmsten Dank schuldig – diese Con- certe bilden am Ende doch den Centralpunkt des so sehr reichen Musiklebens in Wien. Rezensierte Veranstaltung Philharmonische Konzerte (Achtes Abonnementkonzert), 30. März 1873, MVgr. Rezensierte Werke Beethoven: An die ferne Geliebte op. 98, Symphonie Nr. 8 F-Dur op.  93 ◼ Mendelssohn: Serenade und Allegro giojoso op.  43 ◼ Liszt: Nr.  2 „Der Tanz in der Dorfschenke“ („Mephisto- Walzer“ Nr.  1) aus 2 Episoden aus Lenaus Faust S  110 ◼ Spohr: Ouvertüre zu Jessonda Erläuterungen 6 sechstes … Concert] recte: achtes. ◼ 28f. „Es krabbelt … mir’s nicht.“] Freizitat aus: Goethe, Faust  2, II,7176f. ◼ 43f. „die heilige Tonkunst“, … Text hergeben“.] Der von Ambros freizitier- te Ausspruch festgehalten in: Seyfried/Pierson, Beethoven’s Studien im Generalbass, Anhang,