Seite - 458 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

458 Mai 1873 115 120 125 130 135 140 Soli. Letztere haben in ihrer Cadenz in H-dur eine der größten Schwierigkeiten, die es auf dem ganzen weiten Territorium der Musik giebt, zu überwinden und wir haben an dieser Stelle anderwärts schon „Schiffbruch und grause Havarie“ erlebt. Diesmal aber ging die Sache in trefflichster Weise – Ehre den Damen Wilt und Tremel, den Herren Walter und Kraus. Das erste Allegro und das Scherzo wird man auch kaum je besser zu hören bekommen, – das Adagio, ein Stück wiedergewonnenen Paradieses, haben wir in- dessen schon inniger, seelenvoller gehört; – die Bläser waren in den ätherischen Echos beim Thema beträchtlich zu stark und die zweimalige Episode im Dreivier- teltacte war im Tempo zu langsam (dafür aber die Doppelfuge im Schlußsatze zu schnell). Sehr schön und ätherisch klangen aber im Adagio die geisterhaften Stel- len nach dem zweimaligen Trompetenruf. Noch sei bemerkt, daß die Lieder im ersten Concert von Herrn Wilhelm [sic] Riedel, im zweiten von Herrn Hofcapell- meister Dessoff auf dem Pianoforte begleitet wurden, – es sei dieses ausdrücklich erwähnt, weil die Leistung beider Herren eine mustergültige heißen durfte. Gut zu begleiten ist, beiläufig gesagt, eine schwere Sache und es können es die Wenigsten. Aus dem k. k. Hofoperntheater haben wir ein Gastspiel glücklichen Erfolges zu berichten. Adele Löwe aus Prag hat als Elsa, Senta und Fidelio entschieden ge- fallen. Die junge Dame hat eine schöne, sympathische, gut geschulte Stimme, gute dramatische Auffassung und Darstellung und, although our last not least, eine an- genehme persönliche Erscheinung. Es sind Besorgnisse laut geworden, ihre Stim- me werde für den weiten Raum des Hofopernhauses nicht ausreichen. Diese Be- sorgnisse dürften kaum gegründet sein. Der Sänger muß ein neues Territorium eben auch erst kennen lernen, ehe er sich dort mit völliger Bequemlichkeit bewegt. Eigen und seltsam scheint uns, daß eine sehr fein gebildete Coloratursängerin, welche im vorigen Jahre als Fräul. Marie Schröder alle Sympathien zu erringen wußte, diesmal als Frau Marie Hanfstängel weniger Glück zu haben scheint. Habent sua fata – cantatrices. Rezensierte Veranstaltungen Schubert-Fest (Eröffnung der Wr. Weltausstellung), 4. Mai 1873, MVgr. ◼ Beethoven-Fest (Er- öffnung der Wr. Weltausstellung), 11.  Mai 1873, ebd. ◼ Wagner, Lohengrin, 1.  Mai 1873, Hofoper ◼ Wagner, Der fliegende Holländer, 8.  Mai 1873, ebd. ◼ Beethoven, Fidelio, 4.  Mai 1873, ebd. ◼ Verdi, Rigoletto, 10.  Mai 1873, ebd. Rezensierte Werke Beethoven: Fidelio, „Adelaide“ op.  46, Ouvertüre  III zu Leonore op.  72a, Symphonie Nr.  9 d-Moll op.  125 ◼ Schubert: „Am Tage Aller Seelen“ D  343, „Auf dem Wasser zu singen“ D  774, Nr.  7 „Ungeduld“ aus Die schöne Müllerin D  795, „Pax vobiscum“ D  551, Nr.  5 es-Moll aus 6 Grandes Marches D  819 (Orchesterbearbeitung von Liszt, S  363 Nr.  2), Nr.  1 C-Dur aus 2 Marches Carac- téristiques D  886 (Orchesterbearbeitung von Liszt, S  363 Nr.  3), „Gretchen am Spinnrade“ D  118, Nr.  1 „Liebesbotschaft“ aus 13 Lieder nach Gedichten von Rellstab und Heine (Schwanengesang) D  957, „Sei mir gegrüßt“ D  741, Symphonie h-Moll D  759 (Die Unvollendete) ◼ Verdi, Rigoletto ◼ Richard Wagner: Lohengrin, Der fliegende Holländer