Seite - 489 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

489 Juli 1873 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Harmoniums, zu hören. An gewissen Tagen gestaltet sich die Sache zu förmlichen Pianisten-Concerten und Schulter an Schulter, Kopf an Kopf horcht das dichtge- drängte Publicum bald den brillanten Perlenpassagen Rudolf Willmers, bald dem kraftvollen Vortrage Sigismund Blumners. Daß dann Instrumente, welche an und für sich schon gut und trefflich sind und denen selbst minder geübte Hände Wohl- laut zu entlocken vermögen, unter solcher Behandlung vollends prächtig klingen, versteht sich von selbst. Seltener und wirklich selten hört man dagegen die Geigen, die Violoncells, die Flöten und Flügelhörner u. s. w. Wir könnten die Gruppe der Musikinstrumente zu bequemerer Ueberschau in drei Unterabtheilungen oder kleinere Gruppen scheiden. Erstlich die historische Gruppe, im Pavillon der Geschichte der Erfindungen, welche veraltete, nur noch „historischen“ Werth behauptende Instrumente, und insbesondere Pianofortes aus früheren Epochen renommirter Firmen enthält, daneben die bescheidenen Erst- lingsexemplare nachmals reich und stattlich ausgebildeter Instrumente und eine Anzahl von „Reliquien“, d. h. von Instrumenten, welche im Besitze berühmter Meister der Tonkunst gewesen. Die zweite wichtigste Gruppe gehört dem Leben, der Gegenwart, an, sie ist die „technische“, in welcher uns die neuesten Proben der Industrie des Instrumenten- baues, ganz neue Erfindungen, wie Beregszázy’s gewölbte Resonanzböden, wie das Pariser Piano-Quatuor u. s. w., vorgeführt werden. Die „historische Gruppe“ bildet gleichsam die Vorhalle zu dieser „technischen“ – die alten Instrumente bilden durch Vergleichungen mit den neuen zugleich Gradmesser des technischen Fort- schrittes, und wer z. B. den wahrhaft erschrecklichen Klimper- und Klapperkasten gesehen, auf dem weiland der Knabe Liszt den allerersten Unterricht erhalten und nun an ein Instrument von Ehrbar, Blüthner, Schröder u. s. w. tritt, wird sich freu- en, wie es nicht nur Liszt „zuletzt so herrlich weit gebracht“, sondern auch der Pianofortebau. Die dritte und letzte Gruppe ist die „ethnographische“. Die exoti- schen Tonwerkzeuge aus China, Japan, Persien, Turkestan, Hindostan u. s. w. bis zu den primitiven Tonzungen der Völker Inner-Africa’s herab. Diese Gruppe ist glänzend vertreten und ganz außerordentlich lehrreich. Sie wäre es noch mehr, wenn wir uns leider nicht begnügen müßten, die Gestalt dieser zum Theile höchst seltsamen Instrumente zu sehen, statt auch ihren Ton, ihre Klangfarbe hören, ihre Stimmung untersuchen zu können. Der Musikforscher benütze die Gelegenheit! Es ist im höchsten Grade merkwürdig, irgend eine Grundform, z. B. jene des Rebab (der orientalischen Geige), durch die verschiedenen Modificationen zu ver- folgen, welche sie bei den einzelnen Stämmen und Völkern annimmt, oder z. B. die mongolische Riesentrompete überall in Asien verbreitet zu finden, oder die alte, einfachere Wina der Hindostaner in den Werkstätten der gepriesenen Gei- genmacher von Benares zu einem prächtigen Instrument ausgebildet zu sehen. Je glänzender diese ethnographische Gruppe ist, desto weniger bedeutet die eigentlich historische, welche sich mit der bezüglichen Sammlung des germani- schen Museums in Nürnberg nicht messen kann und auch gegen die schöne Sammlung zurücksteht, welche sich im Besitze der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindet. Merkwürdig, wenn auch nicht das Schönste, ist ein unscheinba- rer Apparat, welcher einer in Form eines Pfropfenziehers oder eines Wachsstockes