Seite - 490 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

490 Juli 1873 55 60 65 70 75 80 85 90 95 zusammengedrehten Trompete gleicht. Das ist allem Anscheine nach nicht einmal ein vollständiges Instrument, sondern nur gleichsam das „Eingeweide“ eines sol- chen, und zwar, wie es scheint, das sogenannte „Racket“ oder „Ranket“ – eines seltsamen Zwergfagotts, das von Außen einem dicken, kurzen Cylinder gleicht, aus dessen oberer Fläche die Mündung der Röhre und aus dessen Seite das Anblase- rohr hervorragt. Erhaltene Exemplare sind äußerst selten, wir kennen dieses seltsa- me Tonzeug fast nur durch das Syntagma des Prätorius. Die „neunfechtig gewun- dene Röhre“ im Innern genügte, um sogar das tiefe B angeben zu können, aber das Instrument klang sehr schwach – „beinahe wie wenn Einer auf einer Kanne blä- set“, sagt Prätorius. Der alte französische „Serpent“ aus dem 17.  Jahrhundert, ganz wie er bei P.  Mersenne abgebildet ist, zeigt noch die Schlangenform, welche ihm seinen Namen gegeben und welche er bei späterer Ausbildung verlor. Einige ältere Formen des Fagotts, auch aus dem 17.  Jahrhundert, darunter ein sogenannter „Chorist-Fagott“ sind nicht ohne Interesse. Daran reihen sich Basset- hörner in ihrer primitiven Form u. a. m. Unter den „Hirtenpfeifen“ fallen beson- ders die croatischen durch ihre sonderbar breitgedrückte Form und die Doppel- reihe von Löchern auf, welche ihnen das Aussehen zusammengewachsener Doppelflöten giebt. Auch dem „Horn des Schweinehirten bei Rohitsch“ ist die Ehre der Aufnahme wiederfahren – es ist ein kurzes Signalhorn von Holz, mit Bast umwunden. Lange Hirtentrompeten ähnlicher Art beschreibt Wirdung schon 1511 – und sind solche gelegentlich in den Museen (z. B. in der Ambraser Sammlung) zu finden. Von den ausgestellten Klavierinstrumenten darf Mozarts „Reisespinett“ – ein Werk des Johann Andreas Stein aus Augsburg 1762, als das älteste gelten. Es gleicht beinahe einer flachen Reisechatouille, die Saiten werden durch metallene Tangen- ten gerührt; der Ton ist, wie Wirdung sagen würde, ein leises „Kösseln“. Die Nach- barschaft wenigstens incommodirte man mit einem derartigen Instrument auf keinen Fall. Auf diesem armseligen Apparat also übte der Wunderknabe Mozart seine kleinen Finger und die Dürftigkeit der Instrumente seiner Zeit hinderte nicht, daß er ein Cembalist wurde, von dessen Spiel Joseph Haydn gerührt ausrief: „Ach das ging zu Herzen!“ Ein anderes flügelförmiges Klavier, das auch Mozarts Eigenthum gewesen, klingt etwas besser als das Reisespinett, aber sicherlich würde jeder moderne Pianist über die Zumuthung, darauf etwa concertiren zu sollen, sehr erschrecken. Ein Pianino von Joseph [sic] Schanz 1790, wie ein mäßiges Toilettetischchen anzusehen, war Joseph Haydn’s Instrument. Die eigenthümliche Technik der Klavierwerke Mozarts und Haydns mit ihrer Broderie eleganter Passagen, ihren Begleitungsfiguren, dem Vermeiden eigentlicher energischer Kraftstellen u. s. w. lernt man erst recht verstehen, wenn man die Instrumente kennt, deren sich die Meister bedienten. Haben wir soeben Vater Haydn’s Cem- bale mit einem Toilettekästchen verglichen, so können wir bei dieser Gelegenheit gleich erwähnen, daß ein ingeniöser Kopf, der Klavierbauer Ludwig [sic] Herz in Wien, wirklich 1790 bis 1800 Instrumente unter dem Namen des „Toilette-Kla- viers“ verfertigte, zugleich Toilettetischchen und Musikapparat – schlägt man den Deckel auf, zeigt seine Innenseite einen Spiegel u. s. w. – Die Klaviatur muß, wenn man spielen will, nach Art einer Schublade herausgezogen werden. Das kleine In-