Seite - 512 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

512 September 1873 200 205 210 215 220 225 230 235 triumphirendem Lächeln eine rasche Passage in Des-dur vorspielen, über welche dem Flötisten aus Joseph Haydns Zeiten vor Erstaunen die Perrücke vom Kopfe fallen würde. Dabei fällt mir aber eine alte Anekdote ein. Ein Engländer ließ den Arzt kommen und sagte: „Herr, mein Arm schmerzt mich, wenn ich ihn so halte.“ Dabei hielt er ihn in höchst verdrehter Stellung über den Kopf. „Zum T.  .  .“, fuhr der Arzt den Patienten an, „müssen Sie ihn denn so halten?“ Müssen Sie denn in Des-dur spielen, Herr Flötist? So hat auch die neue Maschinposaune nicht entfernt den, je nachdem, bald schauerlichen, bald erhaben-feierlichen Klang der alten Zugposaune – sie ist eine potenzirte Trompete. Man hat daher z. B. im Prager Conservatorium mit vollem Recht neben dem Unterricht auf der Maschinposaune auch wieder den Unterricht auf der Zugposaune eingeführt. Unsere Hornisten sind bequem, sie machen das F-Horn zu ihrem Fac-totum. Wenn also der Componist auf die Eigenthümlichkeit der verschiedenen Horn- stimmungen rechnet – den verschleierten Klang des Es-Horns, das gellende G-Horn, das ernste C-Horn u. s. w. – so rechnet er falsch. Hätte ich bei einem Concurs von Blasinstrumenten etwas zu sagen, so wäre ich unbedingt für „Rückschrittsmedaillen“. Das soll uns indessen nicht abhalten, die Tüchtigkeit der Leistungen der In- strumentenmacher in vollem Maße anzuerkennen. Der vortreffliche Čerweny aus Königgrätz war Juror und folglich hors concours. Neben ihm sind Ignaz Stowasser aus Wien und J.  Schunda aus Budapest mit Ehren zu nennen, so wie die Pariser Firmen P.  Goumas & Comp. und Gautot [sic] ainé & Comp. Letztere bringt sogar ein neues Instrument unter dem Namen Sarrusophon, eine Uebersetzung der Familie Oboe und Fagott (welche bekanntlich kraft ihres Rohrmundstückes Vet- tern sind) ins „Blech“. Das Sarrusophon präsentirt sich in sechs Abstufungen als Sopran-, Alt-, Tenor-, Baryton-, Baß- und Contrabaß-Sarrusophon. Der Umfang reicht vom dreigestrichenen Des bis zum Contra-Des. Insbesondere sollen die tiefe- ren Instrumente (Baryton u. s. w.), die für im Freien spielende Militärcapellen nicht genug schallkräftigen Fagotte mit Vortheil ersetzen. Es ist gewiß, daß solche Capellen ganz andere Bedürfnisse haben als das in den Concertsaal gewiesene Concertorchester, schon deßwegen, weil hier alle Saiteninstrumente ausgeschlos- sen bleiben müssen. Es sind also vor Allem die Militärmusiken, welche von den neuen Blasinstrumenten jeder Art Gewinn ziehen können, und wirklich Gewinn ziehen. Hier haben jene „intestinischen“ Blechinstrumente, jene schallkräftigen kleinen Clarinette u. s. w., die wir aus dem Concertsaale und dem Theater verwei- sen, allerdings ihre volle Berechtigung, und daß die Militärmusik binnen einem halben Jahrhundert die erfreulichsten Fortschritte gemacht hat, ist nachdrück- lichst anzuerkennen. A. W. Ambros. Erläuterungen 1 Weltausstellung] → Nr. 114/Erl. zur Z. 5. ◼ 9 sub clausula perpetui silentii] lat. „unter dem Befehl des ewigen Stillschweigens“. ◼ 9f. Gemünders … „Kaisergeige“] Die sogenannte „Kaisergeige“ von George Gemünder (1816–1899) wurde für die Wr. Weltausstellung konstru-