Seite - 520 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

520 September 1873 30 35 40 45 50 55 60 65 70 tischer, aber minder ergötzlich klingt als die alten deutschen Namen: „Quintsait, Kleinsanksait, Großsanksait, Kleinprummer, Mittelprummer, Großprummer.“ Aber die Laute ist auch für Arabien ein importirtes Instrument aus Persien. Ein Musiker Namens Nadhr Ben el Hares Ben Kalde aus Hira soll, wie der arabi- sche Autor Nobata (aus dem 13.  Jahrhundert) berichtet, eigens an den Hof des Chosru-Parviz abgesandt worden sein, um persische Melodien und das Lautenspiel zu lehren, – er selbst lehrte dann in Mecca. Um 680 waren persische Arbeiter bei Ausbesserung der Kaaba beschäftigt, Ebn-Sorreidsch lernte von ihnen singen und die Laute spielen. Ein um dieselbe Zeit in Medina angesiedelter Perser Saib- Chatir, seines Zeichens ein Victualienhändler, gilt für den Ahn der arabischen Lauten- virtuosen. Also finden wir vom Centralpunkt Persien aus die Laute ostwärts als Bi-Wa bis in Japan, westwärts als laudo in Spanien. Ein weltwanderndes Instru- ment! Eine ganz hübsch gearbeitete Laute, nach alter Art mit vier Saiten – eigentlich Doppelsaiten, „Chören“ – findet sich in der Abtheilung Tunis. Diese Laute – Ud – verläugnet auch hier ihre edle Abstammung nicht; sie sieht ordentlich vornehm aus neben ihrer Nachbarschaft, denn in der That ist diese Nachbarschaft entsetz- lich barbarisch, aber auch sehr interessant. Denn hier sehen wir zum ersten Male ein tunisisches „Rebab“ – in Tunis „Nagrat“ genannt – welches übrigens auch in Algerien gebräuchlich ist und sich vom arabisch-ägyptischen Rebab (welch’ letzte- res als „Rebec“ in die Hände der Minnesinger und Trouvères des Mittelalters über- ging) gründlich unterscheidet. Man denke sich einen Schuh oder vielmehr Pantof- fel, an dessen Fersenende zwei Saiten befestigt sind, welche über einen Steg hinüber, nach der Länge gespannt in einem Wirbelkasten, der fast rechtwinkelig nach hin- ten gebogen ist, um einen höchst primitiven Wirbel gewunden sind. Die Partie, welche dem Oberleder des Pantoffels entspräche (um im Gleichnisse zu bleiben) oder, ohne Gleichniß, die Partie, welche bei anderen Geigen das Griffbrett ein- nimmt, ist mit ziemlich großen Schalllöchern durchbrochen, die ganz zierliches, vergoldetes Gitterwerk in maurischem Ornamentenstyl zeigen. Es ist sonach un- möglich, auf dem Instrumente, welches der Musikant aufrecht auf’s linke Knie stützt, mehr zu prästiren, als daß man die leeren Saiten streicht und zwar mit einem Bogen, welcher seinem Namen buchstäblich entspricht – das Holz bildet einen Halbzirkel, dessen Enden eine Sehne von Roßhaar verbindet. Und doch ist dieses tunisische Geigenstück erst wieder ein Paganini’s würdiges Instrument im Vergleich zu dem sogenannten „Irbab“ (Geige) neben ihm. Ein Joachim oder Wilhelmi könnte es nur mit Schaudern betrachten. Das Corpus wie eine Hand- pauke, ganz mit einem pergamentartigen Leder überzogen, in die platte Oberseite ist seitwärts ein gewaltiges rundes Loch als Schallloch geschnitten. Der Hals gleicht einem dünnen Rundstäbchen. Und die Saiten – ach wenn nur welche da wären – gleich das vorderste dieser Instrumente ist statt mit Saiten mit derbem Roßhaar, wie sonst ein Geigenbogen, bezogen, plump und nachlässig obendrein. Das Instrument kann also nur durch das Vibriren des Paukenfelles jenen knurren- den und murrenden Dumpfklang hören lassen, wie das bekannte Bauerninstru- ment in Europa, das aus einem Topf und durch letzteren hin und her gezogenem Roßhaar besteht und wie eine schlecht geraspelte tiefe Contrabaßsaite klingt,