Seite - 521 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

521 September 1873 75 80 85 90 95 100 105 110 115 wozu der Spieler (!) insgemein etwas singt. Von den neben diesem Brummapparat ausgestellten Schellentrommeln hat die eine ziemlich große Dimensionen, ihr Pau- kenfell ist wunderlich mit rothen Menschenhänden bemalt. Sie heißt „Bendir“. Sehr reich und interessant ist die Sammlung türkischer oder eigentlich der Mehrzahl nach arabischer Musikinstrumente in der Abtheilung der Türkei. Die Laute erscheint hier in mannigfachen Varianten der Form und in sehr verschiede- ner Größe. Neben dem eigentlichen L’Eud, welches völlig der europäischen Laute gleicht, sehen wir das Tanbur-Kebir-Turki, die Giraffe unter den Lauten, mit klei- nem runden Corpus und überlangem Hals; das ähnliche Tanbur-Chargy, mit birnförmigem Corpus, die kleineren Nebenarten des Tanbur-Bulgari, Tanbur- Buzurk und das kleine Tanbur-Baglamah, d. i. Kinder-Tanbur. Neben diesem stattlichen Apparat von Lauten erblicken wir das psalterartige Qanon (Kanon, so hieß das Instrument schon in der antik-classischen Welt! Kanon, d. i. Regel, da es, gleich dem Monochord, ein Normal- und Tonregulirungsapparat war) und das Santir, letzteres beinahe wie das Fragment eines Flügelpiano anzusehen. Das bei den Asiaten unendlich beliebte Geigeninstrument Kemangeh (Kemandscheh) dürfte so wenig den Beifall unserer Geigenspieler finden, wie das arabische Rebab mit seinem Quadrat von Schallkasten – die Araber unterscheiden, je nachdem das Instrument zwei Saiten oder nur Eine Saite hat, das Rebab-el-moganny (Rebab des Sängers) und das Rebab-esch-schaer (Rebab des Dichters) –, mit letzterem werden nämlich poetische Recitationen begleitet. Die mannigfachen Flöten (Schababeh oder Zuffara) nehmen sich gut aus, eine kleine Doppelflöte mahnt wie eine letzte Reminiscenz aus antik-classischer Zeit. Aegypten hat schöne Lauten – zahlreiche Darbukah (topfartige Trommeln) fehlen nicht –, Derwischflöten u. s. w. Die Abtheilung Persien zeigt ein sehr schön gearbeitetes Geigeninstrument von der Art, welche in der Türkei Kemangeh-a-ghuz heißt. Die in Schiras verfer- tigten Instrumente dieser Art haben in Asien einen Ruf ungefähr wie in Europa die Cremoneser Geigen. Das kleine Corpus gleicht einer Kugel, von welcher man vorne ein Segment weggeschnitten, darüber ein sehr langer, runder Hals, darunter eine sehr lange, stachelartige Stütze. Ein anderes Kemangeh gleicht im Corpus beinahe der arabischen Ziffer 8, sehr feines, fast durchsichtiges Pergament bildet den Resonanzboden. Ein Santir zeigt die herkömmliche Form und ist, gleich un- serem Hackbrett, mit zwei Klöppeln zu spielen. Merkwürdig sind die aufgerichte- ten, auf einen Fuß gesetzten, zierlich geschmückten Trommeln. Sie gleichen ganz den ägyptisch-arabischen Darbukah, nur daß letztere eine Handtrommel und tragbar ist, also unter die Mobilien gehört, während wir jene persischen Trommeln zu den „unbeweglichen Gütern“ zu zählen haben. Die Perser werden von den Rei- senden als ein sehr musikalisches Volk geschildert. William Ouseley spricht mit großer Anerkennung von der Musik, die er in Persien zu hören bekam, insbeson- dere von einem Concert beim Vezier Mirza-Reza. Die ersten, rohesten Anfänge, in denen sich der Trieb, „Musik zu machen“, bei Naturvölkern äußert, zeigt uns die inner-africanische Abtheilung. Da ist die Marimba der Neger, eine Art Klavier, neben einander gereihte, tassenartige Schall- hölzer mit Resonanzbechern am Ende. Die Hölzer werden mit Klöppeln gerührt