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1. Einleitung
Am 3. Februar 1854 stirbt Michael Pfurtscheller in Fulpmes im Tiroler Stubaital.
Die wenige überregionale Bekanntheit, die er später erlangte, beruht zum einen
auf seiner Rolle im Rahmen des Aufstandes gegen die bayerische Regierung in
Tirol 1809, zum anderen auf seinem Beitrag zur Entwicklung der Stubaier Klein-
eisenwarenindustrie. In seinen beinahe 78 Lebensjahren war er jedoch auch zum
Zeugen des guten Teils einer Zeitspanne geworden, die später vom Historiker
Reinhart Koselleck mit dem bedeutungsvollen Namen „Sattelzeit“1 bedacht wer-
den sollte. – Mit diesen drei Sätzen sind Untersuchungsgegenstand, -region und
-zeitraum der vorliegenden Arbeit bereits ebenso eingeführt wie die Vorgehensweise,
die sowohl die Arbeit an den Quellen als auch die Erzählstruktur der folgenden Sei-
ten geprägt hat. Dennoch bedarf es noch einiger erklärender Worte.
1.1. Begriffe
1.1.1. Sattelzeit
Der Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die Reorganisation
von Staaten auf der Grundlage von Verfassungen, die Durchsetzung von Rechtsgleich-
heit auf der Grundlage allgemeiner und demokratischer Freiheits-, Menschen- und
Bürgerrechte gegenüber „absolutistischem Denken“, die Abflachung gesellschaftli-
cher Hierarchien, die der Industriegesellschaft im Zuge von Industrialisierung und
Urbanisierung weichende Ständegesellschaft, die Herausbildung von Bürgertum und
Arbeiterschaft als soziale Klassen, die Entstehung eines modernen Bildungssystems
durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht und schließlich die Ablösung
des Ideals der adligen Lebensweise durch den „bürgerlichen Lebensstil“ – es sind
große Schlagworte, die für noch größere Strukturen und Prozesse stehen, die mit
dem von Koselleck 1972 für die Jahre zwischen 1750 und 1850 geprägten Begriff der
„Sattelzeit“ in Verbindung gebracht werden.2 Dabei war seine Einführung durchaus
pragmatisch motiviert. Es sei „der heuristische Vorgriff der Lexikonarbeit“, der eine
1 Vgl. Reinhart Koselleck, Einleitung, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur
politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. XIII–XXVII, hier S. XV.
2 Vgl. Stefan Jordan, Sattelzeit, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 11, Stuttgart 2010, Sp. 610–613.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435