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3.3. 1809 89
hatte. 172.000 Mann standen in Süddeutschland zur Verfügung, dazu noch 75.000 in
Oberitalien unter Erzherzog Johann, 10.600 sollten unter Generalmajor Johann Gab-
riel Marquis de Chasteler148 Tirol besetzen und sichern. Begleitet wurde die Aktion von
einem massiven Propagandaaufwand, der „das Volk“ mobilisieren sollte. Die erhoffte
Volkserhebung blieb jedoch aus. Es kam lediglich zu kleinräumigen Aufständen gegen
das von Napoleon oktroyierte System. Einer der Unruheherde aus der Sicht Napoleons
war Tirol. Einer breiten Unterstützung von „unten“ entbehrend, geriet der Krieg für
Österreich jedoch zu einem Fiasko. Es gab zwar einen propagandistisch ausschlachtba-
ren – der Nimbus der Unbesiegbarkeit Napoleons schien angekratzt – kleinen Erfolg
in der Schlacht von Aspern und Esslingen am 21. und 22. Mai, wo die napoleonischen
Truppen für kurze Zeit an der Überquerung der Donau gehindert werden konnten, in
der Folge kam es jedoch wiederum zu einer ganzen Reihe von Niederlagen für die Ös-
terreicher. Schließlich musste der Kaiser am 14. Oktober 1809 im Friedensvertrag von
Schönbrunn die Waffen strecken und akzeptieren, dass Österreich seinen europäischen
Großmachtstatus verlor. Hohe Reparationszahlungen, eine empfindliche Reduktion
der Truppenstärke, der Verlust Salzburgs, des Inn- und des Hausruckviertels sowie des
Berchtesgadener Landes an Bayern, die Abtretung des Kreises Villach, Krains, Görz’,
Istriens, Triests und Kroatiens bis zur Save mussten hingenommen werden.149
3.3.2. Die bayerische Regierung
Historische Analysen der bayerischen Regierungszeit in Tirol stehen meist vor dem
Hintergrund der Suche nach Motiven und Ursachen für den Aufstand von 1809.
Derartige Untersuchungen sind daher immer sehr zielgerichtet. Die Analyse der
bayerischen Verwaltungsumstrukturierungen seit Anfang des Jahres 1806 wird di-
rekt gekoppelt an die Analyse der möglichen Motive der Aufständischen, sich ge-
gen ebendiese Reformen aufzulehnen. Auch Michael Pfurtscheller selbst wählt, als
er 1838 seine „Kurzgefaßte[n] Beiträge zur Kriegsgeschichte von denen Jahren 1796
bis einschlüßlich 1813 so weit es Thal-Stubay betrift“ verfasst, für den Einstieg in
die Darstellung der Ereignisse des Jahres 1809 eine sehr verkürzte Darstellung des
Reformeifers der bayerischen Regierung:
148 Johann Gabriel Marquis von Chasteler de Courcelles (1763–1825) trat bereits im Alter von 13
Jahren in den Militärdienst, schon mit 34 wurde er zum Generalmajor befördert. 1801 wurde er
zum Inhaber des ersten Tiroler Jägerregiments ernannt, 1809 sollte er den „Volksaufstand“ in Tirol
als Oberkommandant der kaiserlichen Truppen unterstützen und koordinieren. Er starb in Venedig,
wo er als Stadt- und Festungskommandant eingesetzt worden war. (Vgl. Blaas, Josef Daney, 2005, S.
408.)
149 Vgl. Schennach, Revolte, 2009, S. 111–114.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435