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5.3. Michael Pfurtscheller als Familienvater 343
aus Pfurtschellers erster Ehe nicht mehr als vier Kinder entstanden. Während Ober-
hofer die durchschnittliche Kinderzahl einer Ehe in den Jahren 1836 bis 1840 mit
fünf beziffert,133 trug Elisabeth Wolf zwischen 1815 und 1833 nicht weniger als drei-
zehn Kinder aus.134 Tendenziell seien bäuerliche Familien kinderreicher gewesen als
nichtbäuerliche, betont Oberhofer. Besonders große Familien ließen sich mit über-
durchschnittlicher finanzieller Potenz in Verbindung bringen. Zu viele Nachkom-
men konnten nämlich den erreichten sozioökonomischen Status durch die Vielzahl
von Erben gefährden.135 Die hohe Kinderzahl Michael Pfurtschellers passt also zu
dessen ökonomischem Sonderstatus.136
5.3.3. Emotionale Bindungen im Hause Pfurtscheller
„Unüberbrückbarer Quellenmangel“ – davon sei die Forschung zum Vatersein –
nicht nur für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts – geprägt, schreibt Andreas Ober-
hofer mit Blick auf Andreas Hofer. Fest stehe lediglich, dass die Rolle des Vaters in
der Familie stark von Patriarchalismus geprägt gewesen sei. Strenge, hauptsächlich
Normen vermittelnde und disziplinierende Vaterfiguren mit „souveräner Autori-
tät über Gattin, Kinder und jüngere am Hof lebende Geschwister“ – so zeichnet
Oberhofer das Väterbild des 18. Jahrhunderts. Erst mit den „bürgerlichen Vätern
des frühen 19. Jahrhunderts“ sei ein gefühlsbetonteres Familien- und Väterbild auf-
gekommen.137 Unter Berufung auf Anne-Charlott Trepp beschreibt Oberhofer Väter,
die die Erziehungsleitlinien aufklärerischer Pädagogen, die im Rahmen einer zielge-
richteten Erziehung zum Bürger Distanz zwischen Vater und Kind einforderten, viel-
fach ignorierten und stattdessen sehr wohl enge emotionale Verbindungen zu ihrem
Nachwuchs hatten.138 Richard van Dülmen dagegen beschreibt Vaterschaft im be-
ginnenden 19. Jahrhundert von der normativen Seite und bezieht sich auf die – wie
erwähnt – von den Pädagogen geforderte Distanziertheit. „Erst im 19. Jahrhundert
meinte man, die Zuneigung zu den Kindern nicht mehr zeigen zu dürfen“, so van
133 Vgl. Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 152. – Laut Bolognese-Leuchtenmüller bewegte sich
die durchschnittliche Kinderzahl pro Ehepaar in der ganzen Habsburgermonarchie in den Jahren
1819 bis 1830 rund um den Wert fünf. (Vgl. Bolognese-Leuchtenmüller, Bevölkerungsentwicklung,
1978, Teil I, S. 86, Teil II, S. 86, Tab. 32.)
134 Vgl. Taufbuch Fulpmes I, II u. III, TLA, Mikrofilm Nr. 0660, Abschn. 3–5. – Michael Pfurtscheller
wurde demzufolge im Alter von 56 Jahren zum letzten Mal Vater.
135 Vgl. Oberhofer, „Andere Hofer“, 2009, S. 153.
136 Zur ökonomischen Sonderstellung vgl. unter anderem: Vermögensübergabe Michael Pfurtscheller –
Johann und Franz Pfurtscheller, 30./31. Oktober 1844, TLA, VB Stubai, 34/318, Bl. 692–712.
137 Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 155.
138 Vgl. ebd.; sowie: Trepp, Vaterschaft, 1996, S. 46.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Title
- Ein Bürger unter Bauern?
- Subtitle
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Author
- Michael Span
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 470
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435