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entwickeln und sich gegenseitig in der Welt Leben zu ermöglichen. Nach Peukert
erweisen sich Bildungsprozesse als Freiheitsprozesse, da es in Bildungsprozessen
darum geht, „sich immer wieder selbst ins Offene zu überschreiten“.68
„Dieser Zug des Überschreitens erweist Bildungsprozesse in ihrem Grund und von
Anfang an – wie implizit auch immer – als Freiheitsprozesse. Dies wird besonders
deutlich bei der Entwicklung des Verhältnisses zu anderen, also beim Erwerb sozialer
Fähigkeiten. Kleinstkinder können sich noch nicht vorstellen, daß andere Menschen
eine andere Vorstellung von Wirklichkeit haben als sie selbst. Deshalb bildet ‚children’s
theory of other minds‘ ein gegenwärtig besonders spannendes Feld sowohl der Ent-
wicklungspsychologie wie der ‚philosophy of mind‘. Die sprichwörtlich ‚schwierigen‘
Zweijährigen haben dann zwar gelernt, daß andere andere Intentionen haben können,
werden aber von dem Zwiespalt zerrissen, mit anderen in Harmonie leben und zugleich
eigene Intentionen verfolgen zu wollen.“69
Unter Erziehung versteht Ludwig Liegle ein
„Handeln von und zwischen Personen. Erwachsene handeln erzieherisch, indem sie
sich selber zu einer Umwelt des Kindes gestalten, indem sie dem Kind eine äußere
Umwelt vorbereiten und indem sie dem Kind Entwicklungs- bzw. Lernhilfe geben.
Kinder handeln ‚erzieherisch‘, indem sie lernen und sich selber entwickeln. Erziehung
als Handeln von Erwachsenen reagiert auf die vorgezeichneten Entwicklungsverläufe
und auf die individuellen Lebensäußerungen des Kindes, und sie wird wirksam in
dieser Antwort, aber auch in bewusster Unterstützung, Anregung und Herausforderung
– als Entwicklungs- bzw. Lernhilfe.“70
Erziehung ist Aufgabe von Erwachsenen, die in Interaktion mit dem Kind und durch
Bereitstellung entsprechender Rahmenbedingungen den Erziehungsprozess fördern,
wobei sowohl Erwachsene als auch die Kinder an der Erziehung beteiligt sind.71
„Erziehung, recht verstanden, ist zugleich Werk-Zeug der Gesellschaft und Werk-Zeug
der werdenden Person, und in beiderlei Hinsicht ist Erziehung gebunden an natur-
determinierte Entwicklungsgesetze, gattungsgeschichtlich wie individuell: Erziehung
als Werk-Zeug der Erwachsenen-Gesellschaft meint ein Handeln der Mutter, des Vaters,
der beruflichen Erzieherinnen und Lehrer sowie der erziehungsrelevanten Institutio-
nen, ein Handeln, das Entwicklung anzuregen und vielleicht auch zu steuern versucht
– Vorbereitung einer Umwelt und direkte Entwicklungs- bzw. Lernhilfe. Erziehung als
Werk-Zeug der werdenden Person meint das Handeln des heranwachsenden Kindes
68 Peukert, Helmut (2004): Bildung und Religion. Reflexionen zu einem bildungstheore-
tischen Religionsbegriff. In: Dethloff, Klaus/Langthaler, Rudolf/Nagl-Docekal, Herta/
Wolfram, Friedrich: Orte der Religion im philosophischen Diskurs der Gegenwart.
Berlin: Parerga, 363–386, 382.
69 Ebd.
70 Liegle, Ludwig (2006): Bildung und Erziehung in früher Kindheit, 44.
71 Vgl. ebd.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279