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tierter Beobachter. Er wirkt mit bei der Aushandlung von Bedeutungen. Der Forscher
muss aus dieser Sicht nicht wie ein Einheimischer handeln können.“348
Auch kindspezifische Kommunikationsformen wie Zeichnungen, Rollenspiele,
Traumreisen, Gespräche mit einer Handpuppe,349 Spiele und Aussagen in spontanen
Gesprächssituationen350 sind eine Ausdrucksform der Kinder, die einen Einblick in die
Perspektive der Kinder geben können. Fokusgruppen sind in der Forschung mit Kin-
dern eine gern gewählte Methode, allerdings ist diese nicht bei allen Kindern beliebt,
weshalb es sinnvoll sein kann, über die Kinder nachzudenken, die an der Forschung
partizipieren und in Hinblick auf die Kinder Entscheidungen über die Kommunikati-
onsform zu treffen. „You may find it more useful to think about the particular children
you are engaging with – the communication forms they like to use, the contexts in
which they are, their own characteristics.“351
Die Fragen, die die Erwachsenen beschäftigen, sind möglicherweise nicht die Fra-
gen der Kinder, wobei die Fragen der Kinder aber ebenso bedeutend sind. „It is all too
easy for adults to concentrate on getting the answers to the questions that concern them
without considering that a child may have other issues to discuss that may be equally,
if not more important.“352 Robert Coles beschreibt ein Gespräch mit Anna Freud, das
gut die Herausforderungen und die Chancen der Kindheitsforschung beschreibt:
„Sie wußte, wie entmutigend es sein kann, wenn man mit einer ausgearbeiteten Kette
von Fragen im Kopf vor einem Kind sitzt, das sich nicht im geringsten dafür inte-
ressiert und hinter der Maske von Höflichkeit oder Charme nichts als Rückzug vor
dem allzu aufdringlichen Erwachsenen im Sinn hat. Sie wußte auch, daß es wiederum
Kinder gibt, die eher allzu bereitwillig und mitteilsam sind und die auf jedes Thema
anspringen, das von jemandem angeboten wird, der mit Fragen, Papier, Mal- und
Zeichenstiften bewaffnet zu ihnen kommt, ob Lehrer oder Arzt. An jenem Tag führte
sie mir dies alles sehr deutlich vor Augen, wobei sie sich zu eigenen Fehlern bekannte,
aber auch von Erfolgen berichtete – alles, um zu unterstreichen, wie wichtig es in einer
Studie über die religiöse Gedankenwelt junger Menschen sein würde, keine vorgefaßte
Meinung zu haben, sondern zuzulassen, daß die Kinder ‚die Gelegenheit so nützen, wie
348 Scholz, Gerold (2012): Teilnehmende Beobachtung. In: Heinzel, Friederike (Hg.):
Methoden der Kindheitsforschung, 116–134, 130.
349 Eine empirisch-qualitative Studie zum Umgang mit religiöser Vielfalt mit Kindern zum
Thema Tod hat Eva Hoffmann vorgelegt, in der die Kinder anhand eines Gesprächs mit
einer Handpuppe ins Gespräch kommen, vgl. Hoffmann, Eva (2009): Interreligiöses
Lernen im Kindergarten?.
350 Vgl. Liegle, Ludwig (2006): Bildung und Erziehung in früher Kindheit, 25.
351 Tisdall, E. Kay M./Davis, John/Gallagher, Michael (2009): Introduction. In: Tisdall, E.
Kay M./Davis, John/Gallagher, Michael: Researching with Children and Young People.
Research Design, Methods and Analysis. Los Angeles/London/New Delhi/Singapore/
Washington DC: SAGE, 1–10, 7.
352 Nigel, Thomas (2001): Listening to Children. In: Foley, Pam/Roche, Jeremy/Tucker,
Stanley (Hg.): Children in Society, 104–111, 109.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279