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Unzufriedenheit mit gegenwärtiger Praxis
Die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Praxis und der Wunsch nach Veränderung
verdeutlichen die Unabgeschlossenheit der konzeptuellen Überlegungen. Die Leiterin
des Kindergartens in katholischer Trägerschaft weiß um die geringe Beschäftigung
mit anderen Religionen im Kindergarten. Dies möchte sie in Zukunft ändern und stellt
Möglichkeiten und Ideen vor, die sie im Kindergarten gerne verwirklichen würde,
um andere Religionen in den Kindergartenalltag zu integrieren. Besonders in Bezug
auf Feste und Gebete kritisiert die Kindergartenleiterin, ohne konkret danach gefragt
worden zu sein, die bestehende Praxis und thematisiert Verbesserungsvorschläge.
Eine Offenheit für alle müsse ihrer Meinung nach mit der Zufriedenheit aller am Kin-
dergartengeschehen Beteiligten einhergehen. Für die Leiterin ist fraglich, ob Eltern
anderer Religionszugehörigkeit zugemutet werden könne, Feste in einer Kirche mit
einem dominanten Kruzifix an der Wand zu feiern. Es sei ihr unangenehm, musli-
mische Eltern in eine Kirche mit dem dominanten Zeichen einzuladen, da diese oft
zurückhaltend seien und teilweise sprachlich nicht alles verstünden und sich so mögli-
cherweise zum Mitfeiern gezwungen fühlen würden. Der Blick auf die Art des Feierns
der Feste anderer Religionen, das Einbeziehen und Einladen der Eltern bei Festen, das
Sprechen von Gebeten anderer Religionen sowie der Besuch von Gotteshäusern ande-
rer Religionen solle in Zukunft mehr Platz einnehmen. Es sei für sie denkbar, Feste
neutral zu gestalten, damit alle mit der Art des Feierns einverstanden seien. Sie könne
akzeptieren, wenn Eltern ihre Unzufriedenheit am Feiern in der Kirche äußern, da
ihrer Meinung nach Feste nicht immer in der Kirche gefeiert werden müssten, sondern
auch im Gruppenraum stattfinden könnten.
Infragestellung der gegenwärtigen Praxis
Der Leiter des Kindergartens in islamischer Trägerschaft stellt der Forscherin während
des Gesprächs Fragen, ob die angebotene Form des Religionsunterrichts den Kindern
gerecht werde und ob diese aus ihrer Sicht Sinn mache. Gemeinsam mit der Isla-
mischen Glaubensgemeinschaft sei er auf der Suche, was Kindern in Kindergärten
vermittelt werden solle und welche Rituale vorkommen sollten. Er verweist auf viele
offene Fragen in diesem Bereich, die einer Analyse bedürften. Auch mit der MA 11
und der Kontrollstelle der Stadt Wien müsse überlegt werden, wie Religion im Kinder-
garten vorkommen solle, ebenso solle der Begriff Moscheekindergärten seiner Mei-
nung nach diskutiert werden. Er erhoffe sich ein professionelles Angebot, wobei auch
eine Diskussion mit Kindergärten in katholischer und evangelischer Trägerschaft über
deren Konzepte hilfreich sein könne, damit in Kindergärten in islamischer Träger-
schaft das Ausmaß des religiösen Angebots ähnlich wie in diesen Kindergärten gestal-
tet werden könne. Überlegungen, wie verschiedene Religionen thematisiert werden
könnten, werden keine angestellt, da es aufgrund der derzeitigen Religionszugehörig-
keit der Kinder seiner Meinung nach keinen Sinn mache, Angebote für Kinder anderer
Religionen zu machen. Da der Kindergarten eine Brücke zur Gesellschaft sein wolle,
würden allerdings christliche Feste thematisiert, da die Kinder die österreichischen
Bräuche kennen lernen sollten.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279