Page - 163 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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Kommunikation über religiöse Differenz in spezifischen Situationen
Im Kindergarten in islamischer Trägerschaft werden die religiösen Gewohnheiten der
muslimischen Kinder und Eltern thematisiert. So überprüfen sie, ob von den Kindern
mitgebrachte Speisen halal seien. Vor dem Besuch der Moschee wird den Kindern auf-
getragen, ein Oberteil mit langen Ärmeln anzuziehen. Wenn ein Kind ein Kopftuch
trägt, wird das von der Pädagogin bemerkt und das Kind wird gefragt, ob es das Kopf-
tuch von der Oma habe, da die Mutter nie eines trage. Die Pädagoginnen setzen sich mit
den religiösen Gewohnheiten der Eltern auseinander. Sofern sie negative Auswirkun-
gen auf das Kind bemerken, konfrontieren sie die Eltern mit der Bitte, dies zu ändern.
Die christliche Pädagogin weigert sich, auf Arabisch zu grüßen, obwohl ein Vater eines
Kindes dies unbedingt möchte. Sie akzeptiert, nicht „Grüß Gott“ zu sagen, weshalb sie
den Vater ausschließlich mit „Guten Morgen“ begrüßt, der dies mit der Zeit akzeptiert.
Im Kindergarten in katholischer Trägerschaft werden die Eltern, die mit der
Teilnahme ihres Kindes an religiösen Festen nicht einverstanden sind, angerufen,
damit diese ihr Kind vor dem Fest abholen oder an dem jeweiligen Tag nicht in den
Kindergarten bringen können.
Vermeidung der Kommunikation über religiöse Differenz
Es zeigt sich ein Mangel an Kommunikation über religiöse Differenz und eine Vermei-
dung von Situationen, anhand derer religiöse Differenz deutlich werden könne.
Beim Anmeldungsgespräch fragt die Leiterin des Kindergartens in katholischer
Trägerschaft die Eltern nicht nach dem Grund für die vegetarische Ernährung der Kin-
der, obwohl sie religiöse Gründe vermutet. Für die Leiterin wäre es in Ordnung, wenn
Eltern meinen würden, Feste nicht in der Kirche feiern zu wollen. Allerdings äußern
sich die Eltern diesbezüglich nicht und die Pädagogin fragt die Eltern nicht nach ihrer
Meinung. Die Leiterin weiß nicht, was muslimische Frauen bezüglich der Feiern in der
Kirche denken und befürchtet, dass diese fälschlicherweise meinen, daran teilnehmen
zu müssen, weil dies ansonsten negative Konsequenzen für die Kinder habe.
Auftretende Konflikte wie die Beschwerde einer Mutter, die nicht möchte, dass ihr
Kind ein Kreuzzeichen mache, werden weder mit den Kindern noch mit den Pädago-
ginnen thematisiert.
Der Wunsch, auch andere Feste als christliche Feste im Kindergarten zu feiern,
geht von der Kindergartenleiterin aus und die Feier des Opferfestes wird von dieser
initiiert. Die Kindergartenpädagoginnen und die -leiterin kommunizieren im Vorfeld
untereinander nicht klar, wie beispielsweise das Opferfest gestaltet werde und wer
anwesend sein solle. Eine Woche vor dem geplanten Stattfinden des Opferfestes führen
die Kindergartenleiterin und eine -pädagogin ein kurzes Gespräch im Gang, in dem
die Kindergartenleiterin das für die kommende Woche geplante Osterfest thematisiert,
worauf die Kindergartenpädagogin ihr Unverständnis ausdrückt, warum alle Kinder
daran beteiligt sein müssten. Dieser Einwand bleibt unthematisiert. Direkt vor dem
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279