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Eine Gemeinschaft kann nur dann divers sein, wenn junge Menschen mit unterschied-
lichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen ihre Erfahrungen mit ihren
Kolleginnen und Kollegen teilen und mit ihrer Religiosität zum öffentlichen Diskurs
beitragen.779 Barbara Asbrand betont die Bedeutung der Tatsache, dass die eigene Reli-
gion in der Organisation vorkommen darf. „Für alle Kinder ist es von elementarer
Bedeutung, und in besonderer Weise für die Kinder, die der Minderheit angehören,
dass ihre Erfahrungen aus ihrem familiären Kontext und auch ihre Religiosität im
Unterricht vorkommen.“780 Kinder haben Gemeinsamkeiten in anderen Bereichen,
weshalb diese nicht auf der Ebene der Religion liegen müssen. „Die Gemeinsamkei-
ten der Kinder werden auf einer anderen Ebene als der Religion gesucht. Gemein-
samkeiten finden sich in ihrer individuellen Lebensgeschichte und den Beziehungen
der Kinder zu ihrer Umwelt, während die Differenzen auf der Ebene der Religionen
angesiedelt sind.“781
Die differenten Lebensweisen gilt es bezogen auf Religion zu entdecken, ihnen
eine Sprache zu geben und sie in ihrem Wert anzuerkennen.
„Die Einsicht, dass das Ignorieren von Differenz (etwa der Schule) zur Produktion
von Ungleichheit führt und Ungleichheiten bestätigt, befördert die Forderung nach
Sensibilität für Differenzen und Heterogenität. Die Konjunktur von pädagogischen
Anerkennungsforderungen ist unmittelbar mit dem Phänomen der Differenz verknüpft
[…].“782
Annedore Prengel hält in ihren zwölf formulierten Thesen zu Differenz783 fest, dass
Differenz nicht einfach da ist, sondern dass
„die nicht zur dominierenden Kultur gehörenden Lebensformen […] zum Schweigen
gebracht, verdrängt, ausgegrenzt, entwertet, ausgebeutet [sind]. Differente Lebenswei-
sen sind darum immer neu zu entdecken, zur ihnen eigenen Sprache zu bringen und in
ihrem Wert anzuerkennen.“784
Kinder haben ein Recht darauf, ihre jeweilige Religion und ihre religiösen Ausdrucks-
formen thematisieren zu dürfen und sich nicht an die Gewohnheiten der im jeweiligen
Kontext dominierenden Religion assimilieren zu müssen.
779 Vgl. ebd., 24.
780 Asbrand, Barbara (2008): Zusammen leben und lernen im Religionsunterricht. Eine
empirische Studie zur grundschulpädagogischen Konzeption eines interreligiösen
Religionsunterrichts in der Grundschule. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle
Kommunikation, 172.
781 Ebd., 229.
782 Mecheril, Paul/Plößer, Melanie (2009): Differenz. In: Andresen, Sabine u. a. (Hg.): Hand-
wörterbuch Erziehungswissenschaft, 194–208, 197.
783 Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt, 181–184. Für eine Zusammenfassung
vgl. Kapitel 1.9. „Pluralität – Differenz“ in der vorliegenden Studie.
784 Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt, 183.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279