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Elisabeth Neurath betont die eigenen Perspektiven der Kinder, „die das große Ganze
des interreligiösen Dialoges voranbringen“ können.814
Scheilke stellt die Frage, „ob Kinder erst einen pädagogischen Schonraum brau-
chen, in dem sie ihre Identität entwickeln, bevor sie mit einem spannungsreichen
Pluralismus konfrontiert werden dürfen?“815 Einerseits existieren Auffassungen, dass
Kinder zuerst in der eigenen Tradition und Religion beheimatet und ihre Identität darin
gefestigt sein soll, bevor sie anderen Religionen und Traditionen begegnen.816 So gibt
Rainer Möller zu bedenken, dass Kinder durch Auseinandersetzung mit verschiedenen
Religionen überfordert werden können. Um dies zu vermeiden, schlägt er vor, zuerst
einen Bezug zur eigenen Religion zu entwickeln, indem die Kinder an der religiösen
Praxis der Gemeinschaft teilnehmen, bevor eine Beschäftigung mit Traditionen und
Bräuchen anderer Religionen stattfinden soll. Erst in der späteren Kindheit und im
Jugendalter sollte Information über andere Religionen hinzutreten.817 Der Versuch des
Fernhaltens der Kinder von anderen Religionen und das Nichtthematisieren anderer
Religionen im Kindergarten werden teilweise mit Identifikationsprozessen und der
Sorge, Kinder in ihrer Identitätsbildung zu verwirren, zu erklären versucht.
Andererseits werden dem Kennenlernen und dem frühen In-Dialog-Treten mit
Menschen anderer Religionen und Traditionen und der Offenheit der Kinder Bedeutung
zugemessen.818 Betont wird, dass die Bestimmung von Identität Differenz impliziert.819
„I have argued that identities are forged through the marking of difference: […] Iden-
814 Neurath, Elisabeth (2009): „Wer früher stirbt, ist länger tot?“ Was sich christliche und
muslimische Kinder nach dem Tod erwarten. In: Bucher, Anton A. u. a. (Hg.): Jahrbuch
der Kindertheologie: „In den Himmel kommen nur, die sich auch verstehen“, 60–70, 69.
815 Scheilke, Christoph Th./Schreiner, Peter (Hg.) (1994): Schule in multikultureller und
interreligiöser Situation. Münster: Comenius-Institut, 4.
816 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.) (1994): Identität und Verständigung.
Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift der
Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
817 Möller, Rainer (62014): „Muss ich als Erzieherin auch religionspädagogisch qualifiziert
sein?“ Berufsrolle und religiöse Identität. In: Möller, Rainer/Tschirch, Reinmar (Hg.):
Arbeitsbuch Religionspädagogik für ErzieherInnen. Stuttgart: Kohlhammer [2002],
13–60, 19.
818 Die Bedeutung des Dialogs wird von verschiedenen Autorinnen und Autoren betont, wenn
diese auch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vornehmen. Für eine Diskussion ihrer
Positionen vgl. beispielsweise Asbrand, Barbara (2008): Zusammen leben und lernen im
Religionsunterricht, 152–170; Bernhardt, Reinhold (2005): Pluralistische Theologie der
Religionen. In: Schreiner, Peter/Sieg, Ursula/Elsenbast, Volker (Hg.): Handbuch Interre-
ligiöses Lernen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 168–178.
819 „An diese seit alters bekannte Einsicht, dass die Bestimmung von Identität die von Dif-
ferenz impliziert, erneut nachhaltig erinnert zu haben, ist zum einen auf theoretischer
Seite den häufig als postmodern firmierenden philosophischen u. ä. Ansätzen (wie
z. B. von J.-F. Lyotard, J. Derrida und M. Foucault) zu verdanken und zum anderen in
praktisch-politischer Hinsicht den verschiedenen Emanzipationsbewegungen (wie z. B.
die Antiapartheitsbewegung, die feministische Bewegung, die Schwulen- und Lesbie-
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279