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Rahmen, um ihre Intention zu verwirklichen, weshalb der Blick auf die Entwicklung
des gesamten Kindergartens zu richten ist, was die Teilbereiche der Organisation, des
Personals und der Bildungsangebote beinhaltet.
Sowohl das Konzept interreligiösen Lernens von Frieder Harz,833 der das Gastmo-
dell für nichtchristliche oder Kinder ohne Religionszugehörigkeit favorisiert, als auch
das Konzept von Matthias Hugoth834 sensibilisieren dafür, Kinder unterschiedlicher
Religionszugehörigkeit im Kindergarten wahrzunehmen und deren religiösen Hinter-
grund zu respektieren ist. Sie geben vielfältige Anregungen, in welchen Bereichen
interreligiöses Lernen im Kindergarten möglich ist. Aufgrund der hier vorliegenden
Forschungsergebnisse, in denen die geringe Thematisierung der eigenen Religion
durch die Kinder der kleineren Religionen deutlich wird, ist stärker zu berücksichtigen,
eine Kultur der Anerkennung zu entwickeln, in der Kinder ihre Religion und religi-
ösen Ausdrucksformen thematisieren können, sofern sie dies möchten. Es bedarf der
Entwicklung von Konzepten, die neben dem Blick auf die Kinder und dem Blick auf
die Pädagoginnen und Pädagogen den Blick auf die Organisation lenken. Konzepte,
die den Kindergarten als einen safe space für die Kinder und ihre Themen gestalten,
können die Anerkennung der Kinder jeglicher Religionszugehörigkeit im Kindergar-
ten fördern. Die von Frieder Harz vorgeschlagenen Möglichkeiten835 scheinen eher
punktuell verankerte Angebote zu sein, bei denen Kinder der christlichen Religion
selbst den Gaststatus erleben können.836 Vereinzelte Angebote scheinen für das Erle-
ben von religiöser Differenz zu wenig zu sein,837 vielmehr wäre die selbstverständliche
Thematisierung von Ausdrucksformen der kleineren Religionen erstrebenswert. Durch
die kommunikative Einbindung aller am Kindergartengeschehen Beteiligten kann ein
833 Vgl. Harz, Frieder (2001): Ist Allah auch der liebe Gott. Interreligiöse Erziehung in der
Kindertagesstätte. München: Don Bosco; Harz, Frieder (2008): Religion in der interkultu-
rellen Erziehung und Bildung. In: Hugoth, Matthias/Benedix, Monika (Hg.): Religion im
Kindergarten. Begleitung und Unterstützung für Erzieherinnen. München: Kösel, 32–38;
Harz, Frieder (2000): Kindergarten als Ort religiösen Lernens. Zeitschrift für Pädagogik
und Theologie 52(4), 374–384; Harz, Frieder (2001): Feste der Religionen in der Kin-
dertagesstätte. Christliche Feste und interreligiöse Klärungen. Theorie und Praxis der
Sozialpädagogik 109(4), 12–16.
834 Vgl. Hugoth, Matthias/Benedix, Monika (Hg.) (2008): Religion im Kindergarten. Beglei-
tung und Unterstützung für Erzieherinnen. München: Kösel; Hugoth, Matthias (2003):
Fremde Religionen – fremde Kinder? Leitfaden für interreligiöse Erziehung. Freiburg
i. Br.: Herder; Hugoth, Matthias (2012): Handbuch religiöse Bildung in Kita und Kinder-
garten. Freiburg i. Br.: Herder.
835 Harz, Frieder (2001): Ist Allah auch der liebe Gott, 128–137.
836 In ihrem Buch zeigt Doris Ziebritzki diese Gestaltungsmöglichkeiten von Festen auf,
bei denen Kinder anderer Religionszugehörigkeiten als Gäste anwesend sind. Ziebritzki,
Doris (2012): Wir wollen zusammen feiern. Feste der Weltreligionen im Kindergartenjahr.
Freiburg/Basel/Wien: Herder.
837 Vgl. die Feier des Opferfestes oder die Erklärung über die Moschee im Kindergarten
in katholischer Trägerschaft. Vgl. Kapitel „Relevanz von religiöser Differenz” (Teil V,
4.4.2).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279