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Da keine weiteren Arbeiten zum Korrekturverhalten österreichischer Lehrender
vorliegen, haben wir dazu im Rahmen unserer Fragebogenerhebung eine eigene
Untersuchung durchgeführt. Der LehrerInnen-
Fragebogen enthielt einen (prinzi-
piell fehlerfreien) fiktiven Schüleraufsatz, in den eine Reihe von standardsprach-
lichen regionsspezifischen und nationalen Varianten eingebaut worden waren,
um den lehrerseitigen Umgang mit plurizentrischer und regionaler Varianz im
Deutschen beim Korrigieren von Schülerarbeiten analysieren zu können. Ver-
wendet wurden dabei sowohl spezifische als auch unspezifische Austriazismen
bzw. Deutschlandismen.5
Um eine möglichst große Bandbreite an Unterschieden zwischen den Varietä-
ten des österreichischen Deutsch und des deutschländischen Deutsch abzutesten,
wurden sowohl Varianten der lexikalischen Ebene, als auch der grammatischen
sowie der morphologischen Ebene in diese Aufgabe eingebaut, die gemäß der ver-
wendeten Kodices 6 als standardsprachlich gelten. Grundlage dafür waren in erster
Linie das Variantenwörterbuch (2004), aber auch das Österreichische Wörterbuch,
Jakob Ebners Arbeiten und der Duden.
Unter den im Aufsatz eingebauten Begriffen fanden sich Varianten, die laut
Variantenwörterbuch als in Deutschland bzw. in großen Teilen Deutschlands, aber
als nicht in Österreich gebräuchlich ausgewiesen sind. Es handelt sich hierbei um
so genannte spezifische Deutschlandismen: Leibgericht, Aprikosenkonfitüre, Sahne,
Plätzchen, fegen, Mülleimer, Backwerk, Schlachter. Als unspezifische Austriazismen
(in Österreich und Südost- Deutschland standardsprachlich gebräuchlich) ver-
zeichnet das Variantenwörterbuch heuer, in der Früh, Küchenkastl (Grenzfall des
Standards), Hendl, Wimmerl, Stutzen, fladern (Grenzfall des Standards), sekkieren,
das Eck. Daneben gab es im Aufsatz noch Varianten, die das Variantenwörter-
buch als „ausschließlich in Österreich gebräuchlich“ anführt, also spezifische
Austriazismen: Schularbeit, Palatschinke, Powidl, Sackerl, Greißler, Vogerlsalat.
Weitere im Aufsatz enthaltene lexikalische Varianten, die im Variantenwörter-
buch nicht explizit als staats- oder regionsspezifisch ausgewiesen sind, aber
dennoch von manchen SprachexpertInnen und sprachlich versierten Laien
instink
tiv einem Land zugeordnet werden, waren Postbote, Jungs, Ski laufen, im
Voraus und auf der Uni. Auch Tomate
– ein gemeindeutscher Ausdruck, für den
in Ost- Österreich synonym auch das Wort Paradeiser gebräuchlich ist – war
Teil des Aufsatzes.
5 Ammon (1997, 4 f) unterscheidet zwischen spezifischen und unspezifischen Varianten. Spezifische
sind Ammon zufolge Varianten, die ausschließlich in einem Zentrum vorkommen (z. B. Schul-
arbeit: A); unspezifische sind solche, die in zwei von drei Zentren gebräuchlich sind (z. B. Karfiol:
A/CH). Vgl. Kapitel 2.4.1.
6 Folgende Referenzwerke wurden herangezogen: Variantenwörterbuch (2004); Jakob Ebner
(2009): Wie sagt man in Österreich; Jakob Ebner (2008): Österreichisches Deutsch; Duden
(25.
Aufl.); Österreichisches Wörterbuch (41. Aufl.); Peter Wiesinger (2014): Das österreichische
Deutsch in Gegenwart und Geschichte; Robert Sedlaczek (2004): Das österreichische Deutsch.
Korrekturverhalten
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256