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LehrerInnen und SchülerInnen haben dabei übereinstimmend das Medienverhalten
als wahrschein liche Ursache ins Treffen geführt
– insbesondere den Konsum von
Kabel-
TV-Inhalten und bundesdeutsch synchronisierten Filmen. Eine steirische
Lehrerin (FSt3) meinte etwa: „Jo, wenn ma überlegt, ahm mit/oder wieviel Zeit die
Jugendlichen mit/vor Medien sitzen und eben im nicht österreichischen Deutsch
beschallt werden, dann is das ganz klar, dass der Einfluss sich niederschlägt.“ Ähn-
lich argumentierte eine Schülerin (F2) in der Gruppendiskussion:
Ja, ich bin auch der Meinung, dass es vom Alter her abhängt und ähm … dass viele
Schüler in unserem Alter mehr dazu tendieren, deutsches Deutsch zu verwenden
aufgrund dessen, weil wir viel mehr deutsches Fernsehen haben und sowas hatte die
Generation unserer Lehrer nicht. Einfach diesen wirklichen Kontakt zur deutschen
Sprache hat’s damals nicht so gegeben wie wir das haben.
Dass sich unter den SchülerInnen vermehrt Sprachformen aus Deutschland durch-
setzen, bringt auch eine Lehrerin aus Wien (FW1) mit dem veränderten Fernseh-
verhalten in Zusammenhang:
Ja beispielsweise, dass ma sagt
… eine Eins/DIE Eins, ja, wir sagen immer DER Einser,
…
mittlerweile heißt es schon „ne Eins“. Ich hab ne Eins bekommen. So. Oder „lecker“ is
so ein Wort, dass ganz und gar Einzug gehalten hat, ja?
… die Dinge sind alle lecker
[…]
Ich führ’s auf die Fernseher/Fernsehsender zurück.
Durch die Bank haben die DeutschlehrerInnen auf die mediale Dominanz des
„bundesrepublikanischen Deutsch“ verwiesen, wie es ein Lehrer aus Vorarlberg
im Interview augenzwinkernd genannt hat. Lehrkräfte erzählten davon, dass
ihre SchülerInnen die TV-Sprache unreflektiert mit der Zielnorm im Deutschen
bzw. mit „richtigem Deutsch“ gleichsetzen und daher die im Fernsehen gehör-
ten Sprachformen imitieren oder Teile davon in den eigenen Sprachgebrauch
integrieren würden. Die entsprechenden Code- Switching- Phänomene hat eine
Lehrerin aus Niederösterreich (FN1) so umschrieben:
Die Kinder fühlen sie hoit manchmal bemüßigt, a deutsch- deutsche Variante zu ver-
wenden, weil sie glauben, des is hoit richtig, weil sies im Fernsehen immer so hören
oder so. Oder, dass hin und wieder Ausdrücke, die ma bei uns net sogt, durch den
Einfluss von/hauptsächlich vom Fernsehen ahm dann verwendet werden wie: „Das
kann ich voll nicht ab“ … irgendwie reißts an do.
Die Einschätzung, wonach das Fernsehen einen wichtigen Einfluss auf das öster-
reichische Deutsch ausübt, spiegelt sich auch in den Erhebungsdaten wider, die
im Rahmen unserer Untersuchung zum Fernsehverhalten der SchülerInnen her-
ausgekommen sind. Sowohl bei der Austriazismenverwendung als auch bei der
Sprachverwendung: Präferenz von Deutschlandismen/Austriazismen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256