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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Was Bernhard hier mit dem Brustton der Überzeugung und der Verve des auf Differenzierung wenig bedachten Polemikers konstatiert, hĂ€lt einer ÜberprĂŒfung allerdings nicht einmal in AnsĂ€tzen stand. Von einer ‚ausnahmslosen‘ Ablehnung seines Romans in der österreichischen Presse kann keineswegs die Rede sein; vielmehr Ă€ußerten sich die fĂŒhrenden Zeitungen in Wien und in den Bundes- lĂ€ndern fast durchwegs positiv ĂŒber Bernhards DebĂŒt. Was die Forschung zur autobiographischen Pentalogie lĂ€ngst im Detail herausgearbeitet hat,92 ist auch fĂŒr die Erinnerungen in Meine Preise zu betonen: Sie sind in einem erheblichen Maß durch Stilisierung und der erzĂ€hlerischen Struktur geschuldete Dramatisierung geprĂ€gt.93 Die „bösartige[  ] Verleumdung“, der Bernhard in der Zeit der Abfassung von Meine Preise seine „Existenz als Schriftsteller in Österreich  [
] von Anfang an“ ganz grundsĂ€tzlich ausgesetzt sah, die vollstĂ€ndige „Ignoration“, unter der er, „solange“ er „schreibe und veröffentliche“, leide (TBW 22.1, 665), war immer auch das Produkt einer betont einseitigen Wahrnehmung seiner Rezeption. Zuletzt hat der Wiener Germanist GĂŒnther Stocker darauf hingewiesen, dass Bernhards Werk zwar stets „umstritten“ gewesen sei, gleichzeitig jedoch „von Beginn an Institutionen und Personen  [
] sein Schaffen und dessen Verbreitung“  – etwa durch wohlwollende Rezensionen, aber auch durch Publikations- und Auftritts- möglichkeiten  – „nachhaltig förderten“.94 Die Schilderung des eigenen Werde- gangs, die mitunter an die „Leidenskataloge einer Passionsgeschichte“ erinnert, weist bei Bernhard stets ein erhebliches Maß an „Selbststili sierung“ auf;95 sein VerhĂ€ltnis zur Literaturkritik bildet dabei keine Ausnahme. 92 Vgl. dazu bereits die Untersuchung von Reinhard Tschapke: Hölle und zurĂŒck. Das Initiations- thema in den Jugenderinnerungen Thomas Bernhards. Hildesheim u. a.: Olms 1984; fĂŒr die spĂ€- tere Forschungsdiskussion seien nur die folgenden drei AufsĂ€tze exemplarisch genannt: Walter Pape: „Mich interessiert nur mein Körper und mein Kopf und sonst gar nichts“. ErzĂ€hle rische und autobiographische SubjektivitĂ€t bei Thomas Bernhard. In: Geschichte und Vorgeschichte der modernen SubjektivitĂ€t. Hg. v. Reto Luzius Fetz, Roland HagenbĂŒchle u. Peter Schulz. Bd.  2. Berlin, New York: de Gruyter 1998, S.  1174 – 1197; Manfred Mittermayer: „Der Wahr- heitsgehalt der LĂŒge“. Thomas Bernhards autobiographische Inszenierungen. In: Spiegel und Maske. Konstruktionen biographischer Wahrheit. Hg. v. Bernhard Fetz u. Hannes Schweiger. Wien: Zsolnay 2006, S.  79 – 94; Olaf Kramer: Wahrheit als LĂŒge, LĂŒge als Wahrheit. Thomas Bernhards Autobiographie als rhetorisch-strategisches Konstrukt. In: Rhetorik und Sprachkunst bei Thomas Bernhard. Hg. v. Joachim Knape u. O. K. WĂŒrzburg: Königshausen  & Neumann 2011, S.  105 – 122. 93 Dazu ausfĂŒhrlich Clemens Götze: Der geehrte Autor und die Kunst der Invektive. Zu Thomas Bernhards Meine Preise. In: Studia austriaca 20 (2012), S.  55 – 84; Martin Huber: „beinahe alles falsch“? Dichtung und Wahrheit in Thomas Bernhards Meine Preise. In: Text + Kritik (42016), H.  43, S.  10 – 28. 94 Stocker: Bernhard und die literarische Landschaft Österreichs (Anm.  87), S.  298. 95 Wolfram Bayer: Das Gedruckte und das TatsĂ€chliche. RealitĂ€t und Fiktion in Thomas Bernhards Leserbriefen. In: Thomas Bernhard. BeitrĂ€ge zur Fiktion der Postmoderne. Londoner Symposion. Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik90 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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