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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Waren in der sozialistischen Arbeiter-Zeitung, in den Oberösterreichischen Nach- richten und  – der einzig wirkliche Verriss  – in der Klagenfurter Neuen Zeit auch kritische Stimmen zu vernehmen, ĂŒberwog doch eindeutig das Wohlwollen fĂŒr den jungen Schriftsteller. Selbst konservative Kritiker wie Josef Laßl lobten, trotz Skepsis gegenĂŒber der formalen Gestaltung, den „tiefen sittlichen Ernst“ des Tex- tes.101 „[M]an wird sich seinen Namen merken mĂŒssen“ 102  – darĂŒber waren sich beinahe alle Rezensenten in österreichischen Tageszeitungen und Zeitschriften einig, so auch Claus Pack in seiner ausfĂŒhrlichen Besprechung in der Wiener Presse, die Bernhard, geht man nach einem Brief an Peter SchĂŒnemann,103 selbst angeregt hatte: In diesem ersten Roman beweist Thomas Bernhard eine vielversprechende epische Begabung. Das Wechselspiel von Reflexion und dramatischem Geschehen in der inne- ren Form des Buches, das in der Ă€ußeren die Entwicklung seines Helden nachzeichnet, den Knoten schĂŒrzt, verdichtet und löst, verrĂ€t einen Schriftsteller, der sich ernste Gedanken ĂŒber Formprobleme und sein Metier macht.  [
] Die unbezweifelbare Kraft und wilde Musik, die aus diesem Roman strömen, die Bildwelt, die eindring- lich haften bleibt, und das Ethos, das aus ihm spricht, lassen von Thomas Bernhard in der Zukunft entscheidendes erwarten.104 Dass man von solchen positiven, ja aufmunternden Reaktionen in Meine Preise nichts liest, ist weniger der unvollstĂ€ndigen Erinnerung Bernhards als viel- mehr der Stilisierung seines autobiographischen Narrativs geschuldet. Dieses entwirft die Etablierung des Autors im literarischen Feld als Kampf gegen den beharrlichen Widerstand eines reaktionĂ€ren Kulturbetriebs. Die Siegfried Unseld in Aussicht gestellte ErgĂ€nzung seiner Autobiographie durch die BĂ€nde „Der 101 Josef Laßl: Thomas Bernhard: Frost. In: Österreichischer Rundfunk. Radio Salzburg, 8. 2. 1964 [Rundfunkmanuskript im Siegfried-Unseld-Archiv]. Womöglich stammt auch die anonym erschienene Besprechung in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 6. 7. 1963 von Laßl, da hier ebenso vom „sittlichen Ernst“ und einem noch nicht vollends ausgereiften „forma- le[n] Können“ die Rede ist und Laßl regelmĂ€ĂŸig als Rezensent fĂŒr die Zeitung tĂ€tig war.  – Zu Bernhards langjĂ€hriger Bekanntschaft mit Laßl vgl. Kap.  VI, Abschnitt „‚zuchtvoll und klar‘: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt“. 102 wj: Thomas Bernhard: Frost. In: Österreichisches Kulturwort. Zeitschrift fĂŒr Kultur und Wissen (Februar 1964), [unpag.]. 103 Vgl. den Brief von Thomas Bernhard an Peter SchĂŒnemann, 2. 2. 1963. In: Botond: Briefe an Thomas Bernhard (Anm.  98), S.  13, Anm.  1, in dem Bernhard den Verlagsmitarbeiter um die Zusendung von Frost-„Leseexemplare[n]“ nicht nur an Gerhard Fritsch, Carl Zuckmayer und Wolfgang Kraus, sondern eben auch an Claus Pack bittet. Bernhard kannte Pack wohl schon aus den 1950er Jahren; jedenfalls nennt er ihn in einem 1956 erschienenen Beitrag als talentierten Buchillustrator (vgl. TBW 22.1, 564). 104 Claus Pack: BewĂ€ltigung des Vergangenen. In: Die Presse, 13. 7. 1963. Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik92 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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