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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Autorinnen und Autoren einerseits und gegen maßgebende Kritiker andererseits gehen dabei Hand in Hand: Er adressiert seine Kritik an den „Automatismen der Darstellung“ sowie seinen Anspruch, „eine schon automatisch reproduzier- bare Methode wieder produktiv zu machen“,238 an beide Gruppen gleichermaßen. Zudem lĂ€sst sich bei der LektĂŒre der Rundfunkfeuilletons Folgendes fest- stellen: Tauchen Handkes Überlegungen zum „neue[n] Realismus“ als „‚cinema veritĂ©â€˜ der Literatur“, die er in der „BĂŒcherecke“-Sendung vom 4.  April 1966 angestellt hat,239 zweieinhalb Wochen spĂ€ter beinahe wortgleich in der Prince- toner Polemik gegen die ‚Beschreibungsimpotenz‘ auf 240  – was nicht zuletzt ein bezeichnendes Licht auf die behauptete SpontaneitĂ€t seines Statements wirft 241  –, so sind auch seine Äußerungen zur Literaturkritik und zu ihren Akteuren nicht als Ausdruck eines impulsiven, aus dem Augenblick geborenen Unwillens ĂŒber den Verlauf der Gruppe-47-Tagung zu werten. Sie waren vielmehr, so Alfred Holzinger, sein Auftraggeber und Förderer im steiermĂ€rkischen Rundfunk, „begrĂŒndet durch das vorausgehende schriftstellerische Arbeiten und Überlegen in Graz“. Der Vergleich zwischen Radiofeuilleton und Princetoner Polemik zeigt, wie Holzinger ausfĂŒhrt, in mehrerlei Hinsicht eine „KontinuitĂ€t seines Ă€stheti- schen Urteilens“.242 Handkes literaturkritische ‚GesellenstĂŒcke‘ waren indes an der Peripherie des deutschsprachigen Literaturbetriebs gesendet worden; die ĂŒber ein Jahr vor dem Auftritt in Princeton formulierten EinwĂ€nde erregten demnach keine grĂ¶ĂŸere mediale Aufmerksamkeit, ihre Reichweite blieb ĂŒberschaubar.243 238 Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  222), S.  28. 239 Handke: „BĂŒcherecke“ vom 4. 4. 1966 (Anm.  232), S.  276. 240 Vgl. Im Wortlaut: Peter Handkes ‚Auftritt‘ in Princeton und Hans Mayers Entgegnung. In: Text + Kritik (51989), H.  24, S.  17 – 20, hier S.  17: „Es wird ĂŒberhaupt keinerlei Reflexion gemacht. Es wird eine Philosophie vorgegeben, eine Weltanschauung vorgegeben, in der man so tut, als gĂ€be es nur die Beschreibung von Einzelheiten und VorgĂ€ngen. Und das ist auch eine Art cinĂ©ma veritĂ© der Literatur, nach meiner Ansicht.“ 241 Vgl. dazu etwa die ErinnerungsbĂ€nde von Reinhard Baumgart (Damals. Ein Leben in Deutsch- land, 2003) und Friedrich Christian Delius (Als die BĂŒcher noch geholfen haben. Biographische Skizzen, 2012; Die Zukunft der Schönheit. ErzĂ€hlung, 2018), in denen die Episode ausfĂŒhrlich thematisiert wird. 242 Alfred Holzinger: Peter Handkes literarische AnfĂ€nge in Graz. In: Peter Handke. Hg. v. Raimund Fellinger. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1985, S.  11 – 24, hier S.  23. Zu Handkes ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ der frĂŒhen Jahre vgl. auch meine Überlegungen in: Peter Handkes epitextuelle Werkpolitik. In: Paratextuelle Politik und Praxis. Interdependenzen von Werk und Autorschaft. Hg. v. Martin GerstenbrĂ€un-Krug u. Nadja Reinhard. Wien: Böhlau 2018, S.  271 – 292; zu Holzingers Rolle im Grazer Literaturgeschehen vgl. Manfred Mixner: Das Forum Stadtpark Graz und der ORF  – eine Erinnerung an Alfred Holzinger. In: Literatur in Graz seit 1960  – das Forum Stadtpark. Wien, Köln: Böhlau 1989, S.  13 – 20. 243 Gleichwohl lĂ€sst sich an ihnen ablesen, „wie der Jurastudent und nur im kleinen Kreis bekannte Schriftsteller schon damals seine Position als Autor theoretisch unterbaute“ (Holzinger: Peter Handkes literarische AnfĂ€nge [Anm.  242], S.  18). Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 125 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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