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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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die Augen und traf auf ein Glimmen.  [
] Sein Leib war kurzhaarig, glatt und gelb- gestromt; der After markiert von einem papierbleichen Kreis; die Rute fahnenlos.173 Die Konfrontation von Mensch und Hund erweist sich in der Folge nicht bloß als beilĂ€ufige Episode, vielmehr als sorgsam durchkomponierte und anspielungs- reiche Verteidigung einer Poetik, als Kampf gegen einen Kontrahenten, von dem man erzĂ€hlen muss, um ĂŒber ihn hinwegzukommen: „Ich kann nicht weiter, ehe ich den nicht los bin.“ 174 Die Unvereinbarkeit im Habitus und die gegensĂ€tzlichen literarischen Ästhetiken der beiden Antagonisten werden von Handke in einer Vielzahl von Details ins Spiel gebracht:175 Als der böse LĂ€rm wieder einsetzte, verschwand die Landschaft in einem einzigen Strudel aus Bombentrichtern und Granatlöchern.  [
] Danach stand er still drohend und las aufmerksam und lange in meinem Gesicht, doch einzig nach Zeichen der Angst und der SchwĂ€che. Ich begriff: Er meinte gar nicht mich-im-besonderen, son- dern sein Blutdurst war hier auf dem Territorium der Fremdenlegion, wo nur mehr das Kriegsrecht galt, auf jeden dressiert, der, unbewaffnet und ohne Uniform, bloß war, der er war. (Wenigstens einen mĂŒĂŸte es doch geben, der unbewaffnet bliebe, schrieb diesbezĂŒglich einmal ein solch ein bloßes Ich.) Er, der Wachhund, im GelĂ€nde; und ich im Gefilde (fĂŒr das er naturgemĂ€ĂŸ keine Augen hatte, weil das Wirkliche fĂŒr ihn einzig sein Sperrgebiet war)  [
].176 Der Hinweis, wonach auf dem „Territorium“ der gegenwĂ€rtigen Konfronta- tion „nur mehr das Kriegsrecht“ gelte, verweist auf den existentiellen Ernst der Situa tion. Die abschließende Wendung ĂŒber den Wirklichkeitsbegriff des ‚Wachhundes‘ lĂ€sst sich mit Reich-Ranickis gĂ€ngiger Praxis in Beziehung setzen, „die kĂŒnstlerische Gestaltung literarischer Figuren an seinen Vorstellungen eines adĂ€quaten Verhaltens in der RealitĂ€t“ zu messen;177 ganz in diesem Sinne 173 Ebd., S.  56 f. 174 Ebd., S.  53. 175 Vgl., v. a. mit Blick auf Handkes Poetik der NaturrĂ€ume, Kurz: Bild-Verdichtungen (Anm.  148), S.  99. 176 Handke: Die Lehre der Sainte-Victoire (Anm.  10), S.  56 – 58. 177 Wolf: Autonomie und/oder Aufmerksamkeit? (Anm.  4), S.  55, Anm.  48. Vgl. dazu auch Huber: Versuch einer Ankunft (Anm.  170), S.  218: „Der Hund steht  [
] fĂŒr die Übermacht des Reali- tĂ€tsprinzips des Bösen ĂŒber das IdealitĂ€tsprinzip der Kunst.“ Eine noch einmal anders akzen- tuierte Lesart schlĂ€gt Hans Höller: Geschichtsbewusster Kosmopolitismus. Peter Handkes Raum- Poetik. In: Der Dichter als Kosmopolit. Zum Kosmopolitismus in der neuesten öster- reichischen Literatur. Hg. v. Patricia Broser u. Dana PfeiferovĂĄ. Wien: Praesens 2003, S.  51 – 66, hier S.  62 f., vor, der in der Hunde-Episode der Lehre der Sainte-Victoire das „friedliche[  ] Welt- gesetz“ des Autors „einer Ă€ußersten Re-Realisierung ausgesetzt“ sieht. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki180 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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