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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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der Kampfzone, seine extension du domaine de la lutte, hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass der Grad der AnimositĂ€t zwischen den Akteuren der beiden Professionen in diesem Fall weiter ĂŒber das ĂŒbliche Maß hinausgeht. Es bleibt indes unklar, ob Reich-Ranicki den camouflierten Angriff Hand- kes in Die Lehre der Sainte-Victoire als solchen bereits 1980 zur Kenntnis nahm. Die Rezensenten anderer Zeitungen grĂŒbelten ĂŒber die „Funktion des bösen Hundes“ in der ErzĂ€hlung 184 und identifizierten ihn, wie JĂŒrgen Jacobs im Kölner Stadt-Anzeiger, mit dem ‚radikal Bösen‘;185 keiner von ihnen bezog sich jedoch auf den polemischen Subtext der Puyloubier-Episode. Auch W. G. Sebald, mit dem Handke in sporadischem Briefkontakt stand,186 behandelte Mitte der 1980er Jahre in einem Essay die „Konfrontation mit dieser unsĂ€g- lichen Kreatur“, ohne die literaturbetrieblichen Implikationen der Episode zu berĂŒhren. Den aggressiven Hund charakterisiert er „als das traditionelle Sym- bol saturnischer Melancholie“,187 bezieht die Begegnung mit der Dogge also auf ihre mythengeschichtliche und literaturhistorische Dimension, nicht auf den Konflikt zwischen Handke und Reich-Ranicki.188 DarĂŒber hinaus hat Sebald erstmals auf die intertextuellen BezĂŒge des Kapitels „Der Sprung des Wolfs“ zu Dantes Divina Commedia hingewiesen, die zuletzt Claudia Albes im Detail erlĂ€utert und aufgeschlĂŒsselt hat.189 184 So SchĂ€ble: Vom Himmel durch die Welt zur Helle (Anm.  163), S.  214. 185 Vgl. JĂŒrgen Jacobs: Lehren von der großen Harmonie des Daseins. Der Schriftsteller Peter Handke auf dem Weg zum Landschaftsmaler. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 2. 10. 1980. 186 Einige Briefe aus den Jahren 1983 bis 1991 finden sich in den BestĂ€nden des DLA Marbach. 187 W. G. Sebald: Helle Bilder und dunkle. Zur Dialektik der Eschatologie bei Stifter und Handke. In: W. G. S.: Die Beschreibung des UnglĂŒcks. Zur österreichischen Literatur von Stifter bis Handke. Salzburg, Wien: Residenz 1985, S.  165 – 186, hier S.  182. 188 PĂŒtz: Peter Handke (Anm.  65), S.  114, beschreibt in seiner Handke-Werkbiographie 1982 die „roheste BrutalitĂ€t einer Hundebestie, deren maulaufreißendes, weltverschlingendes BrĂŒllen als Ausdruck Ă€ußerster GefĂ€hrdung ertönen muß  – ein paar Seiten Handkescher Prosa ĂŒbri- gens  [
], die ihresgleichen in der deutschsprachigen Literatur der Gegenwart suchen.“ Auch andere Germanistinnen und Germanisten nahmen von der verfremdeten Bezugnahme auf die Handke/Reich-Ranicki-Fehde in der Lehre vorerst keine Notiz; Thomas K. Thornton: Die The- matik von Selbstauslöschung und Selbstbewahrung in den Werken von Peter Handke. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 1983, S.  118, etwa liest sie lediglich als „Projektion der eigenen Innenwelt zum objektiven Äußeren“. 189 Vgl. Sebald: Helle Bilder und dunkle (Anm.  187), S.  182 f.; Claudia Albes: ErzĂ€hlen  – Argumen- tieren  – Beschreiben. Zur Theorie und Interpretation moderner Prosatexte am Beispiel von Peter Handkes Lehre der Sainte-Victoire. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier 2013, S.  414 – 416. Dazu schon die Andeutungen bei Hans-Ulrich Treichel: Auslöschungsverfahren. Exemplarische Untersuchungen zur Literatur und Poetik der Moderne. MĂŒnchen: Fink 1995, S.  217. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki182 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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