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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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StĂŒcke gegen Ende schwĂ€cher“ geworden seien,263 habe er sich, zumal mit Blick auf die Prosa, mehr und mehr zu einem „Bernhard-Enthusiast[en]“ entwickelt, so der Kritiker im bereits zitierten GesprĂ€ch mit Peter von Matt: „Manche leiden an der Prosa Thomas Bernhards, ich gehöre zu jenen, die sie geradezu genießen.“ 264 Und er gesteht dem Autor im weiteren Verlauf des Interviews ausdrĂŒcklich eine Sonderstellung im literarischen Feld zu: „Das Manische bei Bernhard, das Insis- tierende, das sich in Sprache umsetzt, das in seinem Tonfall, in seinem Satzbau spĂŒrbar wird, sein bitterer, grimmiger Humor, sein Katastrophismus  – das alles ist einzigartig.“ 265 Im Herbst 1982 druckte Reich-Ranicki Wittgensteins Neffe in Fortset- zungen im Feuilleton der FAZ, was den Leserkreis der autobiographischen ErzĂ€h- lung deutlich erweiterte; 2002 nahm er neben Werken von Fontane, Goethe, Kafka und Joseph Roth schließlich auch Bernhards HolzfĂ€llen in den Kanon der zwanzig seines Erachtens wichtigsten Romane der deutschen Literaturgeschichte auf.266 Bernhard und Reich-Ranicki waren sich am 17.  November 1968 anlĂ€sslich der bereits erwĂ€hnten skandaltrĂ€chtigen Veranstaltung in der Berliner Aka- demie der KĂŒnste begegnet, bei der Rolf Dieter Brinkmann dem Kritiker vor versammeltem Publikum mit der Anwendung von Waffengewalt gedroht hat- te.267 Nicht nur Brinkmann, sondern auch Bernhard scheint ĂŒber die Mitwir- kung Reich-Ranickis an dem GesprĂ€chs- und Leseformat „Autoren diskutieren mit ihren Kritikern“, dessen dritte Ausgabe an diesem Abend stattfand, nicht erfreut gewesen zu sein; hatte dieser doch kurz zuvor Ungenach in der ZEIT nicht eben freundlich besprochen und dem Autor im April 1967 attestiert, mit seinem zweiten Roman Verstörung erzĂ€hlerisch „völlig hilflos“ zu agieren, ja „in einem Ozean von PlatitĂŒden und in einem wirren Gerede“ zu „ertrinken“, „das an die Geduld des Lesers außerordentliche und unzumutbare Anforderungen stellt“.268 263 Marcel Reich-Ranicki: Kritikers Kummer  – Kritikers Freud. Ein GesprĂ€ch mit Joachim Kaiser. [1993] In: M. R.-R.: Kritik als Beruf (Anm.  17), S.  41 – 96, hier S.  66. 264 Reich-Ranicki: Der doppelte Boden (Anm.  45), S.  54 u.  63. 265 Ebd., S.  137. 266 Vgl. Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Salzburg, Wien: Residenz 2015, S.  357, bzw. den Kommentar in TBW 7, 261. HolzfĂ€llen findet sich, neben „28 anderen Autorin- nen und Autoren des 20.  Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum“, außerdem in Harold Blooms 1995 veröffentlichtem Western Canon (vgl. ebd., 272). 267 Auf Brinkmanns, aber auch auf Handkes Attacken sind wohl die folgenden Passagen in Reich- Ranickis Autobiographie Mein Leben gemĂŒnzt: „Die Schmerzen und die Leiden der von mir abgelehnten Schriftsteller sind mir nicht unbekannt, und so muß ich VerstĂ€ndnis fĂŒr ihre Racheakte und HaßausbrĂŒche haben. Nur scheinen mir manche dieser AusbrĂŒche die Gren- zen des Humanen nun doch ĂŒberschritten zu haben.“  – „Doch will ich nicht verheimlichen, daß mich die BrutalitĂ€t mancher gegen mich gerichteter Äußerungen verblĂŒfft hat.“ (Reich- Ranicki: Mein Leben [Anm.  52], S.  445 u.  447) 268 Marcel Reich-Ranicki: Konfessionen eines Besessenen. In: DIE ZEIT, Nr.  17, 28. 4. 1967; die Rezension findet sich auch in M. R.-R.: Literatur der kleinen Schritte (Anm.  47), S.  266 – 271, Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 197 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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