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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Unseld, „ich habe es fast in einem Anlauf durchgelesen, war stellenweise ziem- lich wĂŒtend, Ă€rgerlich, aber schließlich doch fast ‚erschlagen‘. Das ist doch ein großartiges Buch.“ 94 Handke, der bereits hier von seinen Emotionen bei der Lek- tĂŒre des Romans ausgeht („wĂŒtend“, „Àrgerlich“), beschloss in der Folge, seine EindrĂŒcke ausfĂŒhrlicher festzuhalten und seine WertschĂ€tzung fĂŒr Bernhards Buch auch öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Im September schickte er den offenbar recht kurzfristig entworfenen Text an Alfred Kolleritsch zum Abdruck in den manuskripten. Er habe, so Handke, „[g]estern  [
] eine Geschichte [!] ĂŒber Thomas Bernhards ‚Verstörung‘ geschrieben“: Du kannst es als eine Art Besprechung machen, obwohl ich gerade den Typ der Besprechung vermeiden wollte, sondern eine Geschichte schreiben, wie ich ein Buch gelesen habe. Ich finde das Buch ĂŒbrigens ganz außerordentlich, auch wunder- bar enervierend. So oder so gehört es in einer österreichischen Literaturzeitschrift erwĂ€hnt.95 Handke, der sich „fasziniert von der Denk-, vor allem aber von der Sprach- welt des FĂŒrsten Saurau“ zeigt,96 beschreibt die LektĂŒre von Bernhards Roman als „Abenteuergeschichte[  ]“ 97 des Lesens. Diese beginnt mit der Ankunft des ErzĂ€hlers auf dem Hauptbahnhof in Hannover; weil er den Bekannten, den er besuchen möchte, telefonisch nicht erreichen kann, nimmt er im BahnhofscafĂ© Platz: „Ich bestellte etwas zu trinken und las ein wenig in der Zeitung. Ich war recht mĂŒde, aber das Buch ließ mir keine Ruhe.“ 98 Der Text bietet im weiteren 94 Handke an Unseld, 23. 5. 1967. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  1), S.  73. Unseld antwortete darauf ĂŒberraschend ambivalent: „Ich freue mich, daß Sie Bernhards Buch letztlich doch zustimmen können; es ist ja ein Buch, das eher durch seine SchwĂ€chen als durch seine VorzĂŒge fasziniert.“ (6. 6. 1967; ebd., S.  75) 95 Peter Handke an Alfred Kolleritsch, 22. 9. 1967. In: P. H./A. K.: Schönheit ist die erste BĂŒrger- pflicht. Briefwechsel. Salzburg, Wien: Jung und Jung 2008, S.  18 f. Vgl. den Erstdruck in Peter Handke: Als ich Verstörung von Thomas Bernhard las. In: manuskripte (1967), H.  21, S.  14 – 15. 96 Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Salzburg, Wien: Residenz 2015, S.  180. 97 Wagner: Handke als Leser (Anm.  79), S.  146.  – Vgl. Hans Höller: Wie die Form der Sprache das Denken des Lesens ermöglicht. Der analytische Charakter von Bernhards Sprache. In: Rheto- rik und Sprachkunst bei Thomas Bernhard. Hg. v. Joachim Knape u. Olaf Kramer. WĂŒrzburg: Königshausen & Neumann 2011, S.  81 – 90, hier S.  81: „Handke hat seine LektĂŒre von Bernhards Verstörung als ein Abenteuer beschrieben.“ Peter Hamm zufolge handelte es sich bei Handkes LektĂŒrebericht um „[e]ine ganz wunderbare Rezension“, „die selber ein StĂŒck Literatur war“ (Peter Hamm: „Ich verdanke Ihnen das schönste Hotel meines Lebens“. In: Was reden die Leute. 58 Begegnungen mit Thomas Bernhard. Aufgezeichnet v. Sepp Dreissinger. Salzburg, Wien: MĂŒry Salzmann 2011, S.  14 – 21, hier S.  19). 98 Peter Handke: Als ich Verstörung von Thomas Bernhard las. [1967] In: P. H.: Ich bin ein Bewoh- ner des Elfenbeinturms (Anm.  6), S.  211 – 216, hier S.  211. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik240 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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