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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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die nicht nur das VerhĂ€ltnis des Individuums zur Welt, sondern im Besonderen das Problem der sprachlichen Vermittlung dieses VerhĂ€ltnisses betrifft: „Was er von der Außenwelt erwĂ€hnte, war nur ein Zeichen seiner Innenwelt. Der FĂŒrst sprach nicht in Metaphern, sondern in Zeichen.“ 112 Wenn Handke die „Empfindlichkeitswörter“ und „Qualwörter“ 113 des FĂŒrsten hervorhebt  – man ist unwillkĂŒrlich an Handkes Gedicht Die Reizwörter erinnert, das ebenso 1967 entstand 114  – und von Sauraus „grammatikalische[m] Irrsinn“ berichtet, der ihn, „wie es bei Schizophrenen ĂŒblich ist“, „neue Wörter“ bilden lasse,115 zeigt sich außerdem Folgendes: Handke schenkt hier jenen Aspekten von sprachlicher ReprĂ€sentation besondere Aufmerksamkeit, die auch im Zentrum seiner eigenen literarischen Arbeiten dieser Jahre stehen  – etwa der ErzĂ€hlung Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, an der er Mitte 1968 zu arbeiten beginnt und die 1970 erscheinen wird. Wenn Bernhards Saurau „ganz gegen die Wirk- lichkeit konstruiert ist“,116 dann interessiert sich Handke gar nicht primĂ€r fĂŒr das VerhĂ€ltnis von RealitĂ€t und Fiktion, dafĂŒr, ob es eine Figur wie den FĂŒrsten ‚in Wirklichkeit‘ gibt oder geben könnte. Vielmehr stellt er das Moment der lite- rarischen Konstruktion sowie die „Logik der grammatikalischen Modelle“ 117 in den Mittelpunkt. Erst durch die Irritation, die die sprachliche Form des Romans im Allgemeinen und des „paranoischen Monologs“ 118 des FĂŒrsten Saurau im Besonderen auslöse, sei es möglich, den aufmerksamen Leserinnen und Lesern neue Erfahrungen zu vermitteln. 112 Ebd., S.  213. 113 Ebd., S.  212. 114 Vgl. Peter Handke: Die Reizwörter. [1967] In: P. H.: Die Innenwelt der Außenwelt der Innen- welt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1969, S.  87 – 91, hier S.  90: „mein Reizwort ist  / jedes Wort  / jedes Wort  / ist ein Reizwort“.  – Bereits zuvor gedruckt in: manuskripte 8 (1968), H.  22, S.  16 – 17; Egoist 4 (1968), H.  1, S.  13 – 14. 115 Handke: Als ich Verstörung von Thomas Bernhard las (Anm.  98), S.  214. 116 Ebd., S.  216 (Herv. H. G.). 117 Ebd., S.  213. 118 W. G. Sebald: Wo die Dunkelheit den Strick zuzieht. Zu Thomas Bernhard. In: W. G. S.: Die Beschreibung des UnglĂŒcks. Zur österreichischen Literatur von Stifter bis Handke. Salzburg, Wien: Residenz 1985, S.  103 – 114, hier S.  105. Dass sich nicht nur Handke, sondern auch Bernhard in der zweiten HĂ€lfte der 1960er Jahre mit Diskursen der Psychopathologie beschĂ€ftigte, zeigt ein Brief an Anneliese Botond vom 19. 4. 1966, in dem Bernhard auf Leo Navratils kurz zuvor erschienene Studie Schizophrenie und Sprache rekurriert (vgl. Anneliese Botond: Briefe an Thomas Bernhard. Mit unbekannten Briefen von Thomas Bernhard. 1963 – 1971. Hg. v. Raimund Fellinger. Mattighofen: Korrektur 2018, S.  89). Zu Handkes Rezeption der Psychopathologie vgl. Norbert Christian Wolf: „Die beginnende Schizophrenie“ eines Tormanns. Handkes ErzĂ€hlung und die Pathographien aus Klaus Conrads Gestaltanalyse des Wahns. In: Schreiben als Welt- entdeckung (Anm.  29), S.  165 – 200. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik244 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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