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ganz wesentlich zu Handkes Sympathie fĂŒr die Texte FĂ€rbers bei. Dementspre-
chend habe sich, so Handke weiter, auch FĂ€rbers BeschĂ€ftigung mit BĂŒchern
durch âeine ganze neue, ein Beispiel gebende Artâ ausgezeichnet.127 Sie stellte
fĂŒr den jungen, aufstrebenden Autor ein Vorbild dar, das sein eigenes âTun und
Schreibenâ 128 nachhaltig geprĂ€gt hat.
WĂ€hrend er in seiner â zunĂ€chst in den Grazer manuskripten gedruckten â
Laudatio von 1994 anderen Filmkritikern gegenĂŒber den Vorwurf erhebt, als
âĂffentlichkeitsagentenâ mit âlieblose[m] Scharfsinnâ zu agieren, weil ihnen
âdie eigene Intelligenz so viel mehr gilt als die Gedanklichkeit oder die Denk-
haltungâ,129 sei FĂ€rber hiervon eine wohltuende Ausnahme:
Sein Scharfsinn ist insbesondere einer, der aus dem Enthusiasmus kommt: Hand in
Hand mit diesem zeitigt er im Schreiben die so spezifisch FĂ€rberâsche Melodie, die
Bildlichkeit, die GegenstÀndlichkeit. Helmut FÀrber ist ein mÀrchenhafter Filmkriti-
ker und Satz fĂŒr Satz auch noch etwas anderes.130
In seiner Idee, dass âKritikâ âzugleich eine Form der Begeisterungâ sein könne,
ja mĂŒsse, wie er noch 2015 in einem langen Essay ĂŒber Dragan AleksiÄ, Xaver
Bayer und Dag Solstad formuliert,131 sah Handke sich bereits am Beginn seiner
schriftstellerischen Laufbahn durch die Texte FÀrbers bestÀrkt. Dessen Haltung,
sich einem Kunstwerk âgewissermaĂen geleitschĂŒtzerischâ und mit âbarmherzi-
ge[r] Strengeâ 132 anzunĂ€hern und trotz âErgriffenheit rein bei der Sacheâ zu blei-
ben,133 fungierte fĂŒr den jungen Rezensenten Handke, der partout kein âKritikerâ
sein wollteÂ
â bezeichnenderweise setzt Handke den Begriff auch in der gedruck-
ten Laudatio auf FĂ€rber in AnfĂŒhrungszeichen â, als Leit- und Vorbild fĂŒr sein
127 Ebd.
128 Ebd., S. 40.
129 Ebd., S.Â
45.Â
â Vgl. zu diesen VorwĂŒrfen auch den folgenden, 1986 in der Neuen ZĂŒrcher Zeitung
erschienenen Essay von Hans Magnus Enzensberger: RezensentendĂ€mmerung. [1986] In: H. M.Â
E.:
MittelmaĂ und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1988, S. 53 â 60;
wĂ€hrend Handke in seiner Rede vom âĂffentlichkeitsagentenâ spricht, hat Enzensberger den
Typus des âZirkulationsagentenâ (ebd., S. 56) als Zerrbild des Kritikers skizziert.
130 Handke: Wie ein Letzter ein Erster (Anm.Â
125), S.Â
46. Als âMĂ€rchenâ hatte Handke im Jahr der
FÀrber-Laudatio auch Mein Jahr in der Niemandsbucht ausgewiesen. Gerade solche AffinitÀten
im Detail, solche Korrespondenzen zwischen der poetologischen Selbstbeschreibung und der
WĂŒrdigung von Texten und Verfahren anderer Autoren erweisen sich als elementarer Teil von
Handkes vernetzender Werkpolitik.
131 Handke: Drei Zitterer an der homerischen Quelle (Anm. 69), S. 167; in weiterer Folge des
Textes deutet Handke freilich wiederum eine âKritik der begeisterten Kritikâ (ebd., S.Â
176) an.
Zu diesem Text Handkes vgl. auch Struck: Der Begleitschreiber (Anm. 65), S. 23.
132 Handke: Wie ein Letzter ein Erster (Anm. 125), S. 47.
133 Ebd., S. 48. âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 247
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471