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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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ganz wesentlich zu Handkes Sympathie fĂŒr die Texte FĂ€rbers bei. Dementspre- chend habe sich, so Handke weiter, auch FĂ€rbers BeschĂ€ftigung mit BĂŒchern durch „eine ganze neue, ein Beispiel gebende Art“ ausgezeichnet.127 Sie stellte fĂŒr den jungen, aufstrebenden Autor ein Vorbild dar, das sein eigenes „Tun und Schreiben“ 128 nachhaltig geprĂ€gt hat. WĂ€hrend er in seiner  – zunĂ€chst in den Grazer manuskripten gedruckten  – Laudatio von 1994 anderen Filmkritikern gegenĂŒber den Vorwurf erhebt, als „Öffentlichkeitsagenten“ mit „lieblose[m] Scharfsinn“ zu agieren, weil ihnen „die eigene Intelligenz so viel mehr gilt als die Gedanklichkeit oder die Denk- haltung“,129 sei FĂ€rber hiervon eine wohltuende Ausnahme: Sein Scharfsinn ist insbesondere einer, der aus dem Enthusiasmus kommt: Hand in Hand mit diesem zeitigt er im Schreiben die so spezifisch FĂ€rber’sche Melodie, die Bildlichkeit, die GegenstĂ€ndlichkeit. Helmut FĂ€rber ist ein mĂ€rchenhafter Filmkriti- ker und Satz fĂŒr Satz auch noch etwas anderes.130 In seiner Idee, dass „Kritik“ „zugleich eine Form der Begeisterung“ sein könne, ja mĂŒsse, wie er noch 2015 in einem langen Essay ĂŒber Dragan Aleksić, Xaver Bayer und Dag Solstad formuliert,131 sah Handke sich bereits am Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn durch die Texte FĂ€rbers bestĂ€rkt. Dessen Haltung, sich einem Kunstwerk „gewissermaßen geleitschĂŒtzerisch“ und mit „barmherzi- ge[r] Strenge“ 132 anzunĂ€hern und trotz „Ergriffenheit rein bei der Sache“ zu blei- ben,133 fungierte fĂŒr den jungen Rezensenten Handke, der partout kein ‚Kritiker‘ sein wollte  – bezeichnenderweise setzt Handke den Begriff auch in der gedruck- ten Laudatio auf FĂ€rber in AnfĂŒhrungszeichen  –, als Leit- und Vorbild fĂŒr sein 127 Ebd. 128 Ebd., S.  40. 129 Ebd., S.  45.  – Vgl. zu diesen VorwĂŒrfen auch den folgenden, 1986 in der Neuen ZĂŒrcher Zeitung erschienenen Essay von Hans Magnus Enzensberger: RezensentendĂ€mmerung. [1986] In: H. M.  E.: Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1988, S.  53 – 60; wĂ€hrend Handke in seiner Rede vom „Öffentlichkeitsagenten“ spricht, hat Enzensberger den Typus des „Zirkulationsagenten“ (ebd., S.  56) als Zerrbild des Kritikers skizziert. 130 Handke: Wie ein Letzter ein Erster (Anm.  125), S.  46. Als „MĂ€rchen“ hatte Handke im Jahr der FĂ€rber-Laudatio auch Mein Jahr in der Niemandsbucht ausgewiesen. Gerade solche AffinitĂ€ten im Detail, solche Korrespondenzen zwischen der poetologischen Selbstbeschreibung und der WĂŒrdigung von Texten und Verfahren anderer Autoren erweisen sich als elementarer Teil von Handkes vernetzender Werkpolitik. 131 Handke: Drei Zitterer an der homerischen Quelle (Anm.  69), S.  167; in weiterer Folge des Textes deutet Handke freilich wiederum eine „Kritik der begeisterten Kritik“ (ebd., S.  176) an. Zu diesem Text Handkes vgl. auch Struck: Der Begleitschreiber (Anm.  65), S.  23. 132 Handke: Wie ein Letzter ein Erster (Anm.  125), S.  47. 133 Ebd., S.  48. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 247 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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