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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Dass das problematische VerhĂ€ltnis zwischen Autor und Kritiker mit der gönner- haften Geste Reich-Ranickis, d. h. dem Abdruck von Handkes Essay in Lauter Ver- risse, keineswegs in Entspannung ĂŒbergegangen, sondern bestenfalls ein zeitwei- liger Waffenstillstand erreicht worden war, sollte sich bald zeigen. Habituelle PrĂ€- gungen wie literaturĂ€sthetische Positionen der beiden Kontrahenten erwiesen sich weiterhin als inkompatibel: Weder hatte sich an Handkes Aversion gegen die von Reich-Ranicki verkörperte, traditionellen Realismuskonzepten verpflichtete Litera- turkritik etwas geĂ€ndert, noch an Reich-Ranickis Ablehnung betont autoreflexiver Schreibweisen, wie sie Handke zu dieser Zeit in immer neuen AnlĂ€ufen erprobte. Obschon der Autor Ende der 1960er Jahre allmĂ€hlich von den experimentellen Schreibverfahren frĂŒherer Prosa- und Theaterarbeiten Abstand nahm, ja seinem Verleger Unseld Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970) gar als „klassische[  ] ruhige[  ] Prosa, wie Kleist oder Stifter“,60 ankĂŒndigte, spielte die offene Reflexion und Thematisierung der eigenen literarischen Verfahren weiterhin eine wichtige Rolle in Handkes Texten. Ein zentrales Element seiner Poetik sei es, so Handke 1974 im GesprĂ€ch mit GĂŒnther Nenning, nicht nur die Verwendung von SĂ€tzen und Satzmodellen im Schreibprozess kritisch zu reflektieren, sondern „die Refle- xion“ auch „zugleich mit dem Satz“ explizit vorzufĂŒhren.61 Reich-Ranicki hingegen waren, wie selbst Thomas Anz in seiner weitgehend hagiographischen Darstellung des Kritikers konstatiert, „[p]oetologische Metareflexionen“ ganz grundsĂ€tzlich „verhasst“ 62  – eine fundamentale Diskrepanz im LiteraturverstĂ€ndnis der beiden Akteure, die bei nĂ€chster Gelegenheit zu neuen Konfrontationen fĂŒhren sollte. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) Am 15.  September 1972 veröffentlichte die ZEIT mit der Besprechung von Wunsch- loses UnglĂŒck  – unter dem prĂ€gnanten Titel Die Angst des Peter Handke beim ErzĂ€hlen  – Reich-Ranickis erste Printrezension eines Buches des mittlerweile 29-jĂ€hrigen Autors; an ihr lassen sich die skizzierten Konfliktlinien beispielhaft nachvollziehen. Handke hatte die ErzĂ€hlung Anfang des Jahres unter dem Ein- druck des Freitods seiner Mutter niedergeschrieben: Er habe sich, so die bekannte 60 Peter Handke an Siegfried Unseld, 20. 5. 1968. In: Peter Handke/Siegfried Unseld: Der Brief- wechsel. Hg. v. Raimund Fellinger u. Katharina Pektor. Berlin: Suhrkamp 2012, S.  93. 61 GĂŒnther Nenning: „Schreiben, intensiv wie im Traum!“ [GesprĂ€ch mit Peter Handke.] In: Neue Freie Presse (1974), H.  8, S.  7. 62 Anz: Marcel Reich-Ranicki (Anm.  15), S.  159.  – Stephan Porombka: Gemengelagen lesen. PlĂ€doyer fĂŒr einen kulturwissenschaftlichen Umgang mit Literaturkritik. In: Zeitschrift fĂŒr Germanistik. N. F.  15 (2005), H.  1, S.  109 – 121, hier S.  113, Anm.  22, spricht mit Blick auf Anz’ Reich-Ranicki- Biographie von einem „die Autobiographie des Kritikers paraphrasierende[n] Portrait“. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki156 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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