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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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die NatĂŒrlichkeit, sie ist doch kein leerer Wahn. Nur daß in der Literatur die NatĂŒr- lichkeit nicht von selber kommt. Sie setzt viel Arbeit voraus und etwas Mut.75 Die Rezension bestĂ€tigt damit nicht zuletzt Handkes einstige Beobachtung, wonach der Kritiker „[f]ormalistische Methoden beim Schreiben“ grundsĂ€tzlich „nicht gelten“ lasse: „Er hĂ€lt sie nicht fĂŒr Probleme der Literatur“, so Handke 1968 in den manuskripten, „sondern fĂŒr private Schwierigkeiten des Literaten, mit denen ‚der Leser‘ nicht behelligt werden möchte.“ 76 Reich-Ranickis autoritativer Fingerzeig an Handke, wonach „in der Literatur die NatĂŒrlichkeit nicht von selber“ komme, ja „viel Arbeit“ und „etwas Mut“ erfordere, illustriert die rhetorische Finesse des Kritikers, kontert er doch Handkes Vorwurf von 1968, er könne Literatur nur als „etwas Entstandenes“, nicht aber als „etwas Gemachtes“ begreifen,77 gerade durch den Hinweis auf die mangelnde literarische Kunstfertigkeit des Autors: „Die Pointe dieser Polemik besteht darin, dass gerade die Ă€sthetische Verweigerung gegenĂŒber dem Erwartungshorizont eines an Formexperimenten uninteressierten Publikums als mutlos gescholten wird.“ 78 Ohne ernsthaft auf Handkes literaturtheoretisch ambitionierte Argumentation einzugehen, sieht sich Reich-Ranicki ganz offen- sichtlich kraft seines Amtes im Recht.79 Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshĂ€ndige Frau, Das Gewicht der Welt) Der Grundstein fĂŒr die literarische Fehde der beiden Akteure, in der fĂŒr Handke die beherrschende Position des Kritikers im deutschen Feuilleton zusehends zum Problem wurde, war damit endgĂŒltig gelegt, obgleich Reich-Ranicki im selben Jahr Handkes ErzĂ€hlung Das Umfallen der Kegel von einer bĂ€uerlichen Kegel- bahn (1969) noch in die Anthologie Verteidigung der Zukunft aufnahm  – eine 75 Reich-Ranicki: Die Angst des Peter Handke beim ErzĂ€hlen (Anm.  56). 76 Handke: Marcel Reich-Ranicki und die NatĂŒrlichkeit (Anm.  2), S.  204. Vgl. dazu Wolf: Auto- nomie und/oder Aufmerksamkeit? (Anm.  4), S.  54, Anm.  44: „Der Rezensent misst Handkes ErzĂ€hlverfahren also just an jener traditionellen Poetik, von deren Naturalisierungstendenz sich das besprochene Buch gerade reflexiv absetzt, und befindet es in der Folge  – kaum ĂŒber- raschend  – als ungenĂŒgend.“ 77 Handke: Marcel Reich-Ranicki und die NatĂŒrlichkeit (Anm.  2), S.  203; vgl. ebd., S.  203 f.: „Reich- Ranicki betrachtet die gemachte Literatur als ein StĂŒck Natur. Ähnlich wie die Vögel in jener antiken Anekdote pickt er nach den ganz naturgetreu gemalten Trauben auf dem Bild von den Trauben.  [
] Reich-Ranicki pickt nach Wörtern wie nach der Wirklichkeit.“ 78 Wolf: Autonomie und/oder Aufmerksamkeit? (Anm.  4), S.  54. Zum Aspekt der ‚Kunstfertigkeit‘ bzw. des ‚Handwerklichen‘ bei Reich-Ranicki vgl. Czernin: Reich-Ranicki (Anm.  39), S.  21 – 52. 79 Vgl. Lorenz: Die Öffentlichkeit der Literatur (Anm.  25), S.  220. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre 159 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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