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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Noch im letzten längeren Textblock des Stücks werden neben der „schleichen- de[n] Pest“, den „Schwangerschaftsunterbrecher[n]“ und dem „verrottete[n] Bürgertum“ auch die „Charakterdarsteller“, die „Menschendarsteller“, ja die „Meilensteine in der Geschichte des Theaters“ ins Visier genommen.258 In jenem Stück, dessen Methode Handke zufolge darin bestand, „daß alle Methoden bisher verneint wurden“,259 stellt der junge Autor im Zuge seiner Reflexion des Theaters in actu auch die journalistischen Klischees des Sprechens über diese Institution und ihre ästhetischen Prinzipien infrage. Er problematisiert das Vokabular der Literatur- und Theaterkritik jedoch  – anders als in den Rundfunkfeuilletons  – nicht, indem er dessen Konventionalität und Phrasenhaftigkeit beschreibt und eine andere Form des Sprechens über künstlerische Artefakte in Aussicht stellt  – „Es sind auch andere Sätze möglich“ 260  –, sondern er vollzieht diesen Einspruch gerade durch die ostentative Verwendung der entsprechenden Formeln in einer „genuin theatrale[n] Situation“, nämlich auf der Bühne.261 „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder: Erstsprache vs. Zweitsprache Im bereits zitierten Brief an Henning Rischbieter hat Peter Handke, einige Monate nach der Uraufführung der Publikumsbeschimpfung, seine Vorbehalte gegenüber der Institution des Theaters ein weiteres Mal mit einem negativen Urteil über die Theaterkritik verschränkt: Weil diese sich oft „menschlich-persönlich statt sachlich“ geriere, „nicht informativ, sondern vertraulich-privater Tip“ sei, könne sie keine präzise formale Analyse der Stücke liefern: „Man beschreibt (auch Ihre Zeitschrift [i. e. Theater heute]) Stücke, als ob sie Wirklichkeit wären, und erle- digt in trägen Metaphern dann die Form dieser Stücke, als ob Was und Wie zwei Welten wären.“ 262 Die erstarrte Metaphorik des Sprechens über das Theater habe, wie Handke in diesem dichten, in der Forschung jedoch wenig beachteten Text ausführt, ganz wesentlich zum gegenwärtigen Dilemma des Theaterbetriebs und zu seiner eigenen „Aversion“ diesem Betrieb gegenüber beigetragen: [D]as war es auch noch, was mich am Theater und am Gerede vom Theater gestört hat: die Metaphorik. Sogar Ihre Zeitschrift, wenn auch mit recht effektvollem Jargon, sucht ihr Heil in der Bildersprache, wenn die Bilder eines Stücks schon beschrieben 258 Handke: Publikumsbeschimpfung (Anm.  252), S.  47. 259 Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  222), S.  27. 260 Handke: „Bücherecke“ vom 21. 12. 1964 (Anm.  221), S.  190. 261 Klessinger: Postdramatik (Anm.  169), S.  141. 262 Handke: Briefe über Theater (1) (Anm.  251), S.  37. Erstsprache vs. Zweitsprache 129 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. Einsprüche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wären nicht so viele böse Worte zu verlieren …“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, Verbündete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche Schwätzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der Bühne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der Dürre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres Geschäft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚Natürlichkeit‘ 150
    3. Die „ästhetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses Unglück) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshändige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. Schnüffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der Lektüre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut Färber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke über/mit Ödön von Horváth 259
    7. Keine Axt für das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, Kofferträger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekärer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. Primärliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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