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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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In seinen Arbeiten ĂŒber Bernhard und Lenz hatte Handke die LektĂŒre als posi- tive Erfahrung in den Mittelpunkt gestellt. Sein entschiedenster Einwand gegen Strucks Roman besteht nun gerade darin, dass dieser  – „mit geschlossenen Sin- nen“ 228  – keinen Raum fĂŒr die individuelle Wahrnehmung des Lesers lasse, ja die Offenheit der Ă€sthetischen Erfahrung behindere. Nicht nur in seinen empha- tischen LektĂŒreberichten folgt Handke der Idee, „das Lesen, wie auch immer, weiter zugeben“,229 sondern auch die kritischen EinwĂ€nde gegen bestimmte BĂŒcher gehen von den Schwierigkeiten, Herausforderungen und EnttĂ€uschungen bei der LektĂŒre eines Buches, nicht von einem abstrakten Wertmaßstab aus. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? In einer Umfrage unter Kritikern des Westdeutschen Rundfunks nannten diese im Jahr 1973, nach ihren Vorbildern und Anregern befragt, Peter Handke immer- hin an siebter Stelle, zwischen Jean-Paul Sartre auf Platz sechs und GĂŒnter Grass auf Platz acht, noch vor Theodor W. Adorno (neun) und Martin Walser (zehn). Dass zu diesem Zeitpunkt Heinrich Böll den ersten Platz einnahm, wĂ€hrend die pole position 15  Jahre spĂ€ter bei einer erneuten Umfrage an Marcel Reich- Ranicki (vor Heinrich Vormweg und Joachim Kaiser) ĂŒberging,230 verweist einerseits auf die Verschiebungen im Renommee der genannten Personen, andererseits auf die zunehmend herausgehobene Position Reich-Ranickis, der sich nach und nach zum ‚Literaturpapst‘ gemausert hatte. Die Nennung Handkes  – 1988 scheint er nicht mehr auf  – zeigt indes, dass er in der ersten HĂ€lfte der 1970er Jahre als jemand wahrgenommen wurde, der ĂŒber den engeren Bereich des literarischen Schreibens hinaus auch in literaturkritischen Debatten Entscheidendes und Anregendes bei- zutragen hatte. Die WertschĂ€tzung fĂŒr Handke nicht nur als Schriftsteller, der mit Publikums- beschimpfung (1966), Kaspar (1968), Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970) oder Wunschloses UnglĂŒck (1972) rasch symbolisches Kapital im literarischen Feld allg. ProduktivitĂ€t der Kafka’schen Axt-Metapher Katrin Kohl: Poetologische Metaphern. For- men und Funktionen in der deutschen Literatur. Berlin, New York: de Gruyter 2007, S.  190 – 193. Dazu auch Handkes Notat aus dem MĂ€rz 1988: „Das Kunstwerk, die sanfte Lebensohrfeige (‚Backpfeife‘ hin zum Leben) (es muß nicht immer ‚die Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns‘ sein)“ (Handke: Gestern unterwegs [Anm.  70], S.  144). 228 Handke: Denunziation ohne Wahrnehmung (Anm.  221), S.  147. 229 Handke: Drei Zitterer an der homerischen Quelle (Anm.  69), S.  166. 230 Die Angaben entnehme ich Wolfgang Albrecht: Literaturkritik. Stuttgart, Weimar: Metzler 2001, S.  76. AusfĂŒhrliche Informationen zu den beiden Umfragen finden sich in Reinhold Viehoff: Literaturkritik 1973 und 1988. Aspekte des literaturkritischen Wertewandels. In: Literaturkritik  – Anspruch und Wirklichkeit (Anm.  7), S.  440 – 459. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik266 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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