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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Feuilletonisten und Publizisten Doktor Paul Anton Zierl“,186 einer wohl fiktiven Person, dekuvriert den Zynismus konservativer Kulturkritik im Gestus der Paro- die, wenn dem durch einen Sturz auf den RĂŒcken verunglĂŒckten Artisten etwa zugutegehalten wird, er sei ein Beispiel dafĂŒr, dass es „noch Leute mit RĂŒckgrat und Charakter“ gebe.187 Die Besprechung der Darbietung bietet dem Journalisten im Grunde nur einen Anlass dafĂŒr, gegen „schludernde Scribenten“ ins Feld zu ziehen, die, wie er ausfĂŒhrt, „ihren Dilettantismus und ihr Unvermögen unter den fadenscheinigen VorwĂ€nden einer angeblich ‚modernen Richtung‘“ zu „ver- bergen“ trachten.188 Ähnlich wie bei Handke, der seine Poetik ganz wesentlich in Auseinandersetzung mit der etablierten Literaturkritik geschĂ€rft und profiliert hat, wird in Jonkes Geometrischem Heimatroman die Konfrontation mit dem Kultur- betrieb und dem Jargon des Journalismus in den eigenen literarischen Entwurf integriert. Der Kampf um die Legitimation und Durchsetzung einer avancierten Ästhetik wird nicht (nur) in Paratexten, in nachgetragenen Selbstkommentaren und polemischen Verteidigungen, sondern im Roman selbst ausgetragen. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth Als bewusste Abkehr von traditionellen Formen der Literaturkritik sind auch Handkes „Beschreibungen“ literarischer Texte zu interpretieren.189 Der junge Schriftsteller hatte bereits frĂŒh seine Sympathie fĂŒr Ödön von HorvĂĄths BĂŒhnen- Ă€sthetik bekundet, indem er ihr 1968 in einer Umfrage der Zeitschrift Theater heute den Vorrang vor Bertolt Brechts epischem Theater einrĂ€umte. Er fand in HorvĂĄth einen wichtigen Referenzautor fĂŒr die Entwicklung seiner eigenen Vorstellung von Theater; die in Theater heute lancierte fundamentale Kritik an Brecht, die dessen StĂŒcke der TrivialitĂ€t und Ă€sthetischen KonventionalitĂ€t bezichtigt, ging Hand in Hand mit einem pointierten Hinweis auf die litera- turgeschichtliche Bedeutung HorvĂĄths, dessen „Unordnung und unstilisierte SentimentalitĂ€t“ er Brechts „ergreifenden WeihnachtsmĂ€rchen“ vorziehe: „Die verwirrten SĂ€tze seiner Personen erschrecken mich, die Modelle der Bösartig- keit, der Hilflosigkeit, der Verwirrungen in einer bestimmten Gesellschaft wer- den bei HorvĂĄth viel deutlicher.“ 190 Ein Jahr darauf, im Herbst 1969, vereinbarte 186 Ebd., S.  30. 187 Ebd., S.  33. 188 Ebd., S.  30. 189 Unter diesem Begriff sind in Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms die beiden Texte ĂŒber Thomas Bernhards Verstörung und Ödön von HorvĂĄths Geschichten aus dem Wiener Wald zusammengefasst, deren Beschreibungsverfahren jedoch signifikant voneinander abweichen. 190 Peter Handke: HorvĂĄth ist besser. In: Theater heute (1968), H.  3, S.  28.  – In Kaspar (1968) erwies er dem Dramatiker zudem mit einem adaptierten Zitat aus Glaube Liebe Hoffnung seine „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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