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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Geschichten aus dem Wiener Wald besteht im Wesentlichen in einem getreuen Nachvollzug des PrĂ€textes, der sich mit Christoph Bartmann auch als „Hom- mage“ auf das von Handke ĂŒberaus geschĂ€tzte VolkstheaterstĂŒck verstehen lĂ€sst.198 Gleichwohl beansprucht er, wie er im bereits zitierten Brief an Unseld schreibt, mit der Transformation von HorvĂĄths Geschichten in einen fortlaufen- den Prosatext (wobei er Szenenanweisungen und Figurenreden integriert und durch Streichungen auch inhaltliche Akzente setzt 199), eine „Analyse der Form und des Aufbaus“ 200 und eine „Beschreibung der Dramaturgie des StĂŒcks“ 201 vorgenommen zu haben. Anhand der Paratexte von Totenstille beim Heurigen im 1972 erschienenen Band Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms lĂ€sst sich indes zeigen, dass die Terminologien und die damit assoziierten Gattungsformen in Handkes Schrei- ben ĂŒber Literatur keineswegs fest und klar definiert waren. So wird der Begriff der ‚NacherzĂ€hlung‘, der in der Titelei der Bibliothek-Suhrkamp-Ausgabe des HorvĂĄth-StĂŒcks aufscheint 202 und den auch Bartmann und Gabriel zur Charak- terisierung von Handkes Nachwort verwenden, hier gleichzeitig eingefĂŒhrt und fĂŒr nicht passend erklĂ€rt: KĂŒndigt die „Vorbemerkung“ von Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms den HorvĂĄth-Text explizit nicht als „NacherzĂ€hlung“, sondern als eine „bewußte Auswahl von SĂ€tzen aus dem StĂŒck“ an, „die damit das darin formulierte Bewußtsein kommentieren sollten“,203 lautet die Genrebezeichnung im Untertitel des 1972 gedruckten Textes „Versuch einer Analyse mit Hilfe einer NacherzĂ€hlung“ (in der Erstausgabe 1970 fehlte diese Angabe noch).204 Mag dies auch auf einen Fehler in der Herstellung des Bandes vonseiten des Verlags zurĂŒck- gehen, verweist die paratextuelle Inkonsistenz doch auch auf eine (produktive, weil der Routine entsagende) VariabilitĂ€t und generische FlexibilitĂ€t von Peter Handkes ‚Begleitschreiben‘:205 eine FlexibilitĂ€t, die in enger Beziehung zu den Prinzipien seiner literarischen Poetik und Praxis steht. 198 Bartmann: Suche nach Zusammenhang (Anm.  24), S.  129. Vgl. ebd.: „Je enthusiasmierter die Reaktion auf Literatur, Filme oder Theater ist, desto weiter tritt ein kritisches Vokabular zurĂŒck, an dessen Stelle die Beschreibung und NacherzĂ€hlung tritt.“ 199 Dazu im Detail Gabriel: Peter Handke und Österreich (Anm.  93), S.  88 – 92. 200 Handke an Unseld, 14. 1. 1970. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  1), S.  160. 201 Handke an Unseld, 8. 2. 1970. In: ebd., S.  163. 202 Vgl. Ödön von HorvĂĄth: Geschichten aus dem Wiener Wald. VolksstĂŒck in drei Teilen mit einer NacherzĂ€hlung von Peter Handke. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1970. 203 Handke: Vorbemerkung (Anm.  39), S.  7. 204 Peter Handke: Totenstille beim Heurigen. Versuch einer Analyse mit Hilfe einer NacherzĂ€hlung von Ödön von HorvĂĄths, Geschichten aus dem Wienerwald. In: P. H.: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  6), S.  217 – 227, hier S.  217. Vgl. in der Erstausgabe P. H.: Totenstille beim Heurigen. In: HorvĂĄth: Geschichten aus dem Wiener Wald (Anm.  202), S.  123 – 137. 205 So lautet nicht nur der Untertitel des 2015 veröffentlichten Bandes Tage und Werke, auch ein Notiz- heft-Eintrag Handkes aus dem Jahr 1986 nennt den Begriff: „statt ‚Kritik‘ sag: ‚Begleitschreiben‘“ „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 261 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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