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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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einen veritablen Verriss, der so harsch ausfĂ€llt, dass er auf die Nennung des nur unter Vorbehalt als „Dichter“ apostrophierten Autors verzichtet.98 Aus den Zei- len spricht freilich weniger die HĂ€me des Polemikers als vielmehr Mitleid mit dem Gast des verunglĂŒckten Abends: In einem Hörsaal der theologischen FakultĂ€t stellte die Salzburger Volkshochschule Mittwoch abends wieder einen „Dichter“ vor. Wir wollen ĂŒber die gelesenen Verse und ĂŒber die vorgetragene Prosa den Mantel des Verzeihens breiten, denn auch die BemĂŒhung ist ihre Anerkennung wert. Man muß aber feststellen, daß, wenn die Volkshochschule diesen Weg weitergeht und um jeden Preis Dichter entdecken will, bald niemand mehr in Salzburg ihre „Dichterlesungen“ besuchen wird. Eine gesunde und strenge Auswahl der Lesenden wĂ€re vonnöten. So, wie es jetzt geschieht, tut man mehr gegen als fĂŒr die Literatur. (TBW 22.1, 350) Die hier als Veranstalter genannte Salzburger Volkshochschule, die ab 1953 auch eine Reihe unter dem Titel „Junge Dichter lesen“ anbot (vgl. TBW 22.1, 121), spielte Anfang der 1950er Jahre eine wichtige Rolle fĂŒr Bernhards literarische Sozialisa- tion und den Aufbau eines Netzwerkes. Hier knĂŒpfte er Kontakte zu anderen jun- gen Autorinnen und Autoren, die wie er nach ersten Publikationsmöglichkeiten suchten und am Austausch mit Gleichgesinnten interessiert waren: „Bernhard lernte ich Anfang bis Mitte der fĂŒnfziger Jahre auf der Salzburger Volkshoch- schule kennen“, erinnert sich der ebenfalls 1931 geborene Johann Barth: „Da hat Professor Adalbert Schmidt VortrĂ€ge ĂŒber moderne Gegenwartsliteratur gehal- ten. Da sind sich Erwin Gimmelsberger, der die Rauriser Literaturtage begrĂŒndet hat, Thomas Bernhard und ich begegnet.“ 99 Deutlich geschickter als sein zeit- lebens im Literaturbetrieb isolierter Großvater beteiligte Bernhard sich aktiv am kulturellen Geschehen der Stadt Salzburg und war mit vielen Autorinnen und Autoren, ĂŒber die er im Demokratischen Volksblatt berichtete, auch persönlich 98 Bei dem Autor handelte es sich, so der Kommentar der Werkausgabe, um den Salzburger Lyri- ker Emil Lerperger, dessen Band Begnadete Nacht 1954 erschien. Vgl. TBW 22.1, 776. 99 Johann Barth: Er war sich seines Sieges schon gewiss. In: Was reden die Leute (Anm.  46), S.  140 – 144, hier S.  141. Diente die Volkshochschule einerseits jungen Autorinnen und Autoren als Ort, an dem sie zum ersten Mal an die literarische Öffentlichkeit treten konnten, stand der Name Adalbert Schmidt zugleich fĂŒr die stillschweigend tolerierten KontinuitĂ€ten zwischen Drittem Reich und Zweiter Republik. Er war Mitglied der NSDAP und der Reichsschrifttums- kammer sowie Herausgeber der Anthologie Ostmark-Lyrik (1939) gewesen, nach 1945 hatten seine Arbeiten auf der „Liste der gesperrten Autoren und BĂŒcher“ gestanden. 1949 bis 1954 (also in den Jahren, in denen Bernhard ihn kennenlernte) war Schmidt Lektor fĂŒr Phonetik und Sprecherziehung sowie Mitarbeiter beim Salzburger Volksblatt, schließlich von 1966 bis 1976 Professor fĂŒr österreichische Literaturgeschichte an der UniversitĂ€t Salzburg. Vgl. dazu Karl MĂŒller: Adalbert Schmidt. In: Internationales Germanistenlexikon. 1800 – 1950. Hg. v. Christoph König. Bd.  3: R–Z. Berlin, New York: de Gruyter 2003, S.  1616 – 1618. „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker300 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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