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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Nach einem „kurze[n] Zeitfenster“ in der unmittelbaren Nachkriegszeit, „in dem AufklĂ€rung ĂŒber die NS-Verbrechen explizit gefordert wurde“ und diese strenge Haltung auch fĂŒr den Literatur- und Kultursektor galt,136 konnten politisch belas- tete Autorinnen und Autoren nach Amnestieregelungen und der EntschĂ€rfung einschlĂ€giger Gesetze ab 1948/1949 wieder weitgehend ungehindert in (Salzburger) Verlagen veröffentlichen, wurden zu Lesungen eingeladen und von offiziellen Stel- len mit Preisen und Ehrungen bedacht. Klaus Amann hat dieses kulturelle Klima am Beispiel der Vergabepolitik von Literaturpreisen folgendermaßen umrissen: Österreichische Literaturpreise wurden unmittelbar nach dem Krieg nicht, was ja durchaus im Bereich des Denkbaren lĂ€ge  – und was auch fĂŒr ein neues staatliches und kulturelles Selbstbewußtsein Signalfunktion hĂ€tten haben können  –, als Instrument der Wiedergutmachung oder als Anreiz zur Heimholung der vertriebenen und emi- grierten Autoren verwendet. Ganz im Gegenteil.  [
] ReprĂ€sentative österreichische Literaturpreise gingen denn auch in großem Umfang gerade an jene Autoren, die ent- weder bereits unter dem Austrofaschismus oder unter dem Nationalsozialismus oder unter beiden Systemen gefördert und ausgezeichnet worden waren.137 In dieser kultur- und gesellschaftspolitischen Situation erwies sich Bernhard insofern als „Kind der Zeit“,138 als sich der einschlĂ€gige Autorenmix im Salzburg der 1950er Jahre auch in seinen Rezensionen findet  – die damit die „ideologische Spannbreite des damaligen Lesungs-Angebots“ 139 idealtypisch abbilden: Erna Blaas, Gertrud Fussenegger, Linus Kefer, Franz Tumler, Kurt Ziesel oder Ilse Ringler-Kellner, die 1938 im Bekenntnisbuch Hitlers Mutter dafĂŒr gedankt hatte, „unserem Volk“ den „Heiland“ geboren zu haben,140 stehen in Bernhards Kritiken 136 Polt-Heinzl: Die grauen Jahre (Anm.  3), S.  42. 137 Klaus Amann: Men for all Seasons. Österreichische LiteraturpreistrĂ€ger der fĂŒnfziger Jahre. In: K. A.: Die Dichter und die Politik (Anm.  132), S.  219 – 222, hier S.  220 f. Amann nennt als PreistrĂ€ger der 1950er Jahre u. a. Erna Blaas, Gertrud Fussenegger, Franz Karl Ginzkey, Paula Grogger, Robert Hohlbaum, Max Mell und Franz Nabl. Vgl. dazu auch Sigurd Paul Scheichl: Vergessene. TrĂ€ger des Großen Österreichischen Staatspreises in den 50er Jahren. In: Literatur in Österreich von 1950 bis 1965. Walter Buchebner Tagung 1984. Hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler. MĂŒrzzuschlag: Walter Buchebner Gesellschaft [1984], S.  75 – 91, sowie MĂŒller: Die Bannung der Unordnung (Anm.  32), S.  183. 138 Joachim Hoell: Thomas Bernhard. MĂŒnchen: dtv 2000, S.  52; vgl. Billenkamp: Thomas Bernhard (Anm.  14), S.  57. 139 Mittermayer: „Die brennende hilfesuchende Glut“ (Anm.  31), S.  208. 140 Ilse Ringler-Kellner: An die Mutter des FĂŒhrers. In: Bekenntnisbuch österreichischer Dichter (Anm.  32), S.  85. Bernhards Lesungsbericht nimmt sich durchwegs positiv aus: „Es war ein glĂŒcklicher Gedanke der Volkshochschule, die böhmische Lyrikerin Ilse Ringler-Kellner zu einer Lesung einzuladen.“ (TBW 22.1, 161) Die Veranstaltung im MĂ€rz 1953 wurde sinnfĂ€lligerweise von Adalbert Schmidt, selbst prominenter Akteur im NS-Wissenschaftsbetrieb, moderiert. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 309 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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