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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Geliebte (nach Theodor Storms Novelle Aquis submersus) in Salzburg noch zu wĂŒtenden Protesten von jĂŒdischen Displaced Persons  – darunter angeblich auch Simon Wiesenthal  – gefĂŒhrt.165 Zwei Jahre spĂ€ter meldete Bernhard gegen eine AuffĂŒhrung von Harlans 1939 veröffentlichtem Film Das unsterbliche Herz, an dessen Drehbuch der Österreicher Richard Billinger mitgearbeitet hatte, kei- nerlei Bedenken an. „Kurzum“, beschließt er seine wenige Zeilen umfassende Rezension: „Ein Film, der auch weiterhin zu den besten zĂ€hlen wird, die man zu zeigen hat.“ (TBW 22.1, 319) Am selben Tag erschien im Demokratischen Volksblatt ein ausfĂŒhrlicher Bericht Bernhards ĂŒber das Salzburger Heimatwerk, das unter der Leitung von Tobi Reiser „jahraus, jahrein das BodenstĂ€ndige wachhĂ€lt und lĂ€ngst Vergessenes wieder ans Tageslicht trĂ€gt“; im Rahmen des vom Heimatwerk veranstalteten Salzburger Adventsingens werde auch Karl Heinrich Waggerl „aus seinen Christkindlgeschichten lesen und bestimmt eine echte Weihnachtsstimmung hervorzaubern“ (TBW 22.1, 317). Mit Harlan, Reiser und Waggerl finden sich in Bernhards Veröffentlichungen vom 28.  November 1953 gleich drei Personen, die im Nationalsozialismus als willfĂ€hrige KĂŒnstler reĂŒssiert hatten und in der Gunst der Machthaber gestanden waren.166 WĂ€hrend Bernhard sich mit Blick auf politisch belastete Kunstschaffende nachsichtig erwies  – oder nicht das Wissen mitbrachte, die einschlĂ€gigen Akteure und Institutionen historisch einzuordnen  –, zeigte er sich PhĂ€nomenen der Unter- haltungskultur gegenĂŒber von Anfang an sehr reserviert; wiederholt fĂŒhrte er in seinen Kritiken den Vorwurf, zu sehr auf das Kommerzielle zu schielen, ins Tref- fen.167 Den Arbeiten von Elisabeth Effenberger etwa bescheinigte er im April 1953, sie seien „allzu sehr im Kunstgewerblichen des Wortes befangen“, weil sie sich 165 Vgl. Waitzbauer: Thomas Bernhard in Salzburg (Anm.  47), S.  76. 166 Vgl. Oliver Rathkolb: Tobi Reiser und der Nationalsozialismus. Salzburg: Salzburg Museum 2016, der im Detail zeigt, auf welche Weise Reisers TĂ€tigkeit im Dritten Reich „system- und herr- schaftsstabilisierend gewirkt hat“ (S.  38). Zu Bernhards VerhĂ€ltnis zu Waggerl vgl. Karl MĂŒller: „Wir sind eben Bestien, die sich gegenseitig in Schach halten.“  – „Das Leben ist ein Prozeß, den man verliert.“ Karl Heinrich Waggerl und Thomas Bernhard im Vergleich. In: Thomas Bernhard Jahrbuch 2003, S.  13 – 33; zu Waggerls Karriere nach 1945 ders.: Zur (Dis- ) Kon tinuitĂ€t öster reichischer Literatur seit den 30er Jahren: Karl Heinrich Waggerl (1897 – 1973). Ein Erfolgs- autor der 50er Jahre. In: Literatur in Österreich (Anm.  137), S.  52 – 74.  – Ob Waggerl tatsĂ€ch- lich „trotz seiner NĂ€he zum Nationalsozialismus“ der „erfolgreichste“ Autor im Salzburg der Nachkriegszeit war, wie Adolf Haslinger: Literatur. In: Salzburger Kulturlexikon. Hg. v. A.  H. u.  Peter Mittermayr. Salzburg u. a.: Residenz 2001, S.  25 – 29, hier S.  27, vermutet, oder nicht gerade aufgrund der Übereinstimmung seiner einstigen Gesinnung mit jener des Publikums, wĂ€re zu diskutieren. 167 Zu Bernhards Klage angesichts der „Überfremdung und Trivialisierung des Buchmarktes“ vgl. Habringer: Der Auswegsucher (Anm.  26), S.  35, der die wiederkehrende Argumentation des jungen Rezensenten, seine „Option fĂŒr den Erbauungscharakter von Literatur“, als „reine Apo- logie der Vormoderne“ kritisiert. „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker318 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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