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Scheidung sÀhe. Erhebend und ermutigend aber bleibt als Fazit des Vergleichs die
GewiĂheit, daĂ die mechanisch-industrielle Zelluloid-Inflation das lebendige Theater
nicht zum Tod verurteilt hat â so besteht begrĂŒndete Hoffnung, daĂ auch das echte
Buch allen TB-Herden zum Trotz weiterleben wird.174
Ob es sich dabei um Krankheitsherde oder aber um Herden im Sinne einer
Vielzahl einfĂ€ltiger Lebewesen handelt, bleibt in der Schwebe â beide Lesarten
treffen Weigels Intention wohl gleichermaĂen. Die Vorstellung, dass das âEchteâ
sich gegen das bloĂ kommerziell Erfolgreiche behaupten mĂŒsse, ist auch in
Bernhards Literaturkritik der 1950er Jahre ein zentrales, immer wieder ins Spiel
gebrachtes Narrativ.
Ăber TaschenbĂŒcher sollte sich Bernhard auch dann noch despektierlich
Ă€uĂern,175 als seine Texte lĂ€ngst in entsprechenden BĂ€nden des Suhrkamp Ver-
lags gedruckt und beworben wurden und sein Werk nicht zuletzt deshalb zuse-
hends höhere Auflagezahlen erreichte.176 âEr hasse TaschenbĂŒcher und finde es
auch unnötig, daĂ seine BĂŒcher im Taschenbuch erscheinenâ, notiert Siegfried
Unseld im Februar 1982 nach einem krisenhaften GesprÀch mit dem Autor in
Palma de Mallorca.177 Bernhard rÀumte, abseits der hochwertigen leinengebun-
denen Erstausgaben seiner Prosaarbeiten, stets den kartonierten, mit einem
Schutzumschlag versehenen Ausgaben der âBibliothek Suhrkampâ den Vorrang
ein und nahm die Verwertung seiner Texte in den Taschenbuchreihen des Ver-
lags lediglich billigend in Kauf.178
174 Ebd., S. 228 f.
175 Als Unseld Gehen fĂŒr die erste Tranche der neuen Reihe âsuhrkamp taschenbuchâ einplante, war
Bernhard davon zunĂ€chst nicht eben angetan, fand die Gestaltung des Bandes aber schlieĂlich
doch âsehr gelungenâ (Bernhard an Unseld, 1. 11. 1971. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel
[Anm.Â
36], S.Â
248).Â
â Zur Erstausgabe von Gehen im âsuhrkamp taschenbuchâ vgl. jetzt Catherine
Marten: Bernhards Baukasten. Schrift und sequenzielle Poetik in Thomas Bernhards Prosa.
Berlin, Boston: de Gruyter 2018, S. 258 â 267.
176 Allein Suhrkamp, so die Auskunft seines langjÀhrigen Verlegers, hatte Anfang des 21. Jahr-
hunderts bereits mehr als 1,5 Millionen BĂŒcher von Thomas Bernhard verkauft. Vgl. Siegfried
Unseld: BruchstĂŒcke einer groĂen Rebellion. In: Der Spiegel, Nr.Â
45, 4. 11. 2002, S.Â
194 â 195, hier
S. 195.
177 Unseld: Reisebericht [13./14. 2. 1982]. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.Â
36), S.Â
649.
178 Zu Bernhards Favorisierung der âBibliothek Suhrkampâ vgl. Marten: Bernhards Baukasten
(Anm. 175), S. 243 â 249. Vgl. allerdings auch Judex/Mittermayer: Literatur (Anm. 113), S. 373,
die darauf hinweisen, dass Bernhard die âZitate der von ihm erwĂ€hnten Dichter und Den-
ker keineswegs aus philologisch hochwertigen Editionenâ bezog, âsondern eher aus gĂŒnstig
erworbenen Ausgaben, etwa Taschenbuch-Anthologien und Rowohlt-Monographien, wie sie
in seiner Bibliothek zu finden warenâ.
âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 321
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471