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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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gehört es auch nicht mir, deswegen habe ich es nicht geöffnet, sagte Thomas. Das kannst du aber behalten, sagte Musulin. Jetzt gehört es mir, jetzt öffne ich es, sagte Thomas und entfernte die HĂŒlle.233 Weder das von Musulin vorgeschlagene Buch des irischen Autors Brown noch irgendein anderes literarisches Werk sollte Bernhard in den folgenden Jahren rezensieren. Auf Siegfried Unselds Vorschlag, zu Ludwig Hohls Band Vom Erreich- baren und Unerreichbaren in der „Bibliothek Suhrkamp“ ein Nachwort zu verfas- sen, ging er Anfang 1972 zwar zunĂ€chst ein,234 zog seine Zusage aber kurz darauf ohne nĂ€here BegrĂŒndung zurĂŒck: „[I]ch werde nicht ĂŒber Hohl schreiben.“ 235 Auf eine von den Bremer Nachrichten veranstaltete Umfrage, welche Veröffent- lichungen der aktuellen Buchsaison er zur LektĂŒre empfehlen könne, bekun- dete er im Dezember 1976, „kein einziges seit 1975 erschienenes Buch gelesen“ zu haben und deshalb auch „kein solches Buch empfehlen“ zu können: „[A]ber wenn die PensĂ©es des Pascal erst nach 1975 erschienen wĂ€ren, was nicht der Fall ist, wĂŒrde ich die PensĂ©es empfehlen.“ (TBW 22.1, 615) Lediglich fĂŒr einen 1987 bei Suhrkamp gedruckten Auswahlband mit Gedichten von Christine Lavant sollte Bernhard eine Ausnahme von seiner sonstigen Regel machen, keine Texte ĂŒber andere Autorinnen und Autoren zu schreiben. Sein Nachwort zu dem in der „Bibliothek Suhrkamp“ veröffentlichten Lyrikband umfasste freilich nur eine „Notiz“ von zehn Zeilen  – und es kann kaum als ernsthafter literaturkritischer Kommentar zu Lavants Werk gelten: Dieses Buch dokumentiert die Chronologie der Christine Lavant, die bis zu ihrem Tod weder Ruhe noch Frieden gefunden hat und die in ihrer Existenz durch sich selbst gepeinigt und in ihrem christlich-katholischen Glauben zerstört und verraten war; es ist das elementare Zeugnis eines von allen guten Geistern mißbrauchten Menschen als große Dichtung, die in der Welt noch nicht so, wie sie es verdient, bekannt ist. Diese Auswahl folgt nur meinem Verstand, keinem andern.236 233 Hennetmair: Ein Jahr mit Thomas Bernhard (Anm.  111), S.  441 (Eintrag v.  9. 10. 1972). 234 Vgl. ebd., S.  74 (Eintrag v.  27. 1. 1972): „Dann erzĂ€hlt mir Thomas noch von einem zweiten Brief, den er heute bekommen hat. Vom Verleger Unseld! Zwei Zeilen. Unseld ersucht mich, das ihm versprochene Nachwort fĂŒr Ludwig Holl (oder Ă€hnlicher Name) zu schreiben. Nur ganz kurz. Ich sage: Bist du wahnsinnig, das Nachwort bekommt er nicht! Du wirst doch nicht von deinen GrundsĂ€tzen abgehen, das hast du doch noch nie gemacht.“ 235 Bernhard an Unseld, 3. 2. 1972. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  36), S.  258. SpĂ€ter nahm sich Handke des Schweizer Autors an und hielt u. a.  1980 die Rede zur Verleihung des Petrarca-Preises an Hohl. Vgl. Peter Handke: Ein Gruß an Ludwig Hohl. In: P. H.: Das Ende des Flanierens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980, S.  162 – 163. 236 Thomas Bernhard: Notiz. In: Christine Lavant: Gedichte. Hg. v. T. B. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987, S. [91]. „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker336 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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