Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Page - 354 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 354 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Image of the Page - 354 -

Image of the Page - 354 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Text of the Page - 354 -

noch ernsthafte Versuche finden, sich konstruktiv in politische Debatten einzubringen.31 Schusters Äußerungen in Heldenplatz stellen den skandaltrĂ€chtigen 32 End- punkt einer langen Reihe von Bemerkungen dar, in denen Bernhard und seine Figuren ihre Attacken gegen den Gewaltkomplex von Kirche und Nazismus zusehends um den Sozialismus erweitert hatten: Bereits in der Ursache hatte der autobiographische ErzĂ€hler konstatiert, dass sich in Salzburg „selbst die, die sich Sozialisten nennen“, durch „nationalsozialistische und katholische ZĂŒge“ (TBW 10, 80) auszeichneten; in der Folge dehnte Bernhard seine wieder- holten Angriffe auf Institutionen politischer Organisation und gesellschaft- licher Disziplinierung mehr und mehr auf den Bereich des Sozialismus bzw. der Sozialdemokratie aus. Veranschaulicht er in der Ursache den Zusammen- hang von Katholizismus und Nationalsozialismus noch anhand konkreter, mentalitĂ€ts- und institutionengeschichtlich durchaus belastbarer Beispiele, verlieren seine Angriffe in spĂ€teren Auslassungen zusehends an Evidenz und analytischer PlausibilitĂ€t.33 In Auslöschung bezeichnet Franz-Josef Murau nicht nur den „Nationalsozia- lismus“ als „das grĂ¶ĂŸte österreichische Übel neben dem Katholizismus“ (TBW 9, 347),34 sondern er setzt die beiden wiederholt und ausdrĂŒcklich auch mit der zeitgenössischen Interpretation des Sozialismus in eins: 31 Reuter: „Vaterland, Unsinn“ (Anm.  10), S.  173; Bernhard liefere, so Reuter weiter, „auch keine alternativen Modelle zur Verbesserung oder Überwindung der bestehenden VerhĂ€ltnisse“ (ebd., S.  174). 32 Dazu die prĂ€gnante Schilderung in Robert Weninger: Wien: Heldenplatz. Viel Ärger um Thomas Bernhard. In: R. W.: Streitbare Literaten. Kontroversen und Eklats in der deutschen Literatur von Adorno bis Walser. MĂŒnchen: C. H. Beck 2004, S.  118 – 132. 33 Vgl. etwa die Wutrede des Schauspielers Bruscon im Theatermacher (1984), die den Konnex von Sozialismus und Nationalsozialismus explizit herstellt: „Gleich mit wem wir reden  / es stellt sich heraus  / es ist ein Dummkopf  / gleich wem wir zuhören  / es stellt sich heraus  / es ist ein Analphabet  / sie seien sozialistisch  / sagen sie  / und sind doch nur nationalsozialistisch  / sie seien katholisch  / sagen sie  / und sind doch nur nationalsozialistisch  / sie seien Menschen sagen sie  / und sind nur Idioten“ (TBW 19, 139). 34 Vgl. auch TBW 9, 228 f.: „So war ich, obwohl die nationalsozialistische Ära lĂ€ngst vorbei war, doch nationalsozialistisch erzogen worden, gleichzeitig katholisch, also mit einer sich auf den heranwachsenden Menschen grausam und entsetzlich auswirkenden österreichischen Macht- mischmethode. Das katholisch-nationalsozialistische Element, die katholisch-nationalsozia- listischen Erziehungsmethoden sind aber die in Österreich normalen, die ĂŒblichen, die am meisten verbreiteten und wirken sich also ĂŒberall ungehemmt auf dieses ganze letzten Endes nationalsozialistisch-katholische Volk verheerend und grausam aus.  [
] Katholizismus und Nationalsozialismus haben sich in diesem Volk und in diesem Land immer die Waage gehalten und einmal war es mehr nationalsozialistisch, einmal mehr katholisch, aber niemals nur eines von beidem. Der österreichische Kopf ist immer nur nationalsozialistisch-katholisch.“ Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard354 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
back to the  book Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik"
Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Strategen im Literaturkampf