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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Gerade der Vorwurf, Bernhard schreibe im Grunde Literatur fĂŒr Kritiker und Germanisten, fĂŒr Feuilletonredaktionen und UniversitĂ€ten, stand in scharfem Widerspruch zu dessen SelbstverstĂ€ndnis bzw. zu jenem Bild, das er von sich in der Öffentlichkeit kolportiert sehen wollte, war Bernhard doch darauf aus, Leser wie Kritiker mit seinen Texten fortwĂ€hrend „zu provozieren“ (TBW 22.2, 275) und eben nicht deren Erwartungshaltung zu befriedigen. Seiner „Verach- tung“ des „Seziertum[s] in den OperationssĂ€len der Literatur“ hat er ein ums andere Mal Ausdruck verliehen.50 Dass Turrini ihn nun ausgerechnet als Zulie- ferer bekömmlicher Interpretationsobjekte attackierte, wog vor diesem Hinter- grund besonders schwer. Ein Jahr darauf wiederholte und verschĂ€rfte Turrini seine Attacke gegen Bernhard in einem Interview fĂŒr die KĂ€rntner Kulturzeitschrift BrĂŒcke noch einmal, wobei er die Kritik an seinem Kontrahenten erneut mit dessen PrĂ€senz in der „Literaturkritik“ und auf den „Kulturseite[n]“ verknĂŒpft: Ich rede ja mit Leuten und möchte eine Antwort haben. Ich schreie ja nicht in Litera- turbĂŒcher hinein, um irgendwo abgedruckt zu werden. Das ist ja auch der Unterschied zwischen einem politisch engagierten Literaten, der ich sein möchte, und einem an der Kunst an sich interessierten Literaten. Und genau dieser Mangel an Antwort auf der ganzen Ebene am Theater und auch in der Literaturkritik ist auch eine ErklĂ€rung dafĂŒr, warum ich zum Fernsehen gegangen bin, von dem sich ja die meisten Kritiker und Literaturfexen ohnehin höhnisch abwenden und sagen: ‚Das ist ja so etwas Tri- viales, da brauchen wir uns kaum ĂŒber eine Viertelspalte damit zu beschĂ€ftigen.‘ Viel wichtiger ist es, wenn der Thomas Bernhard wieder einmal einen Wald gefunden hat, wo die BorkenkĂ€fer herumrennen: das ist viel elementarer fĂŒr die Kulturseite. Gerade dort gehöre ich aber nicht hin, in diesen Wald, aus dem keine Antwort kommt, nur BorkenkĂ€fer. Ich gehöre ganz woanders hin.51 50 Bernhard an Joseph Breitbach, 28. 6. 1966. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  2), S.  46, Anm.  5. Im konkreten Fall handelt es sich hier um ein von Bernhard besuchtes Seminar an der UniversitĂ€t MĂŒnchen, das sich unter der Leitung von Werner Vordtriede mit Amras beschĂ€ftigt hatte und von dem der Autor, wie er in einem Brief an Gerhard Fritsch schreibt, im Juni 1966 „nichts als schauerliche EindrĂŒcke“ mitgebracht habe (Thomas Bernhard an Gerhard Fritsch, 26. 6. 1966. In: T. B./G. F.: Der Briefwechsel. Hg. v. Raimund Fellinger u. Martin Huber. Mattighofen: Korrektur 2013, S.  57). 51 GĂŒnther Nenning: WerkstĂ€ttengesprĂ€ch mit Peter Turrini. [1975] In: Turrini Lesebuch. StĂŒcke, Pamphlete, Filme, Reaktionen etc. Ausgew. u. bearb. v. Ulf Birbaumer. Wien u. a.: Europaverlag 1978, S.  343 – 352, hier S.  350 f.  – Turrinis Rede vom BorkenkĂ€fer spielt auf Bernhards 1974 am Wiener Burgtheater uraufgefĂŒhrtes TheaterstĂŒck Die Jagdgesellschaft an: „Tatsache ist  / daß der BorkenkĂ€fer  / alles hier  / alles mit dem Jagdhaus ZusammenhĂ€ngende  / zerstört  / zerfrißt  / alles“ (TBW 15, 363). Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard360 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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