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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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die positive Resonanz auf das Werk) simulieren. Das von Bernhard skizzierte Konzept der Selbstrezension geht, unabhĂ€ngig von einem möglichen Publikum sowie ohne Bindung an die traditionellen Medien der Literaturkritik, vielmehr davon aus, dass nur der Autor selbst in der Lage sei, die Defizite eines von ihm verfassten Textes schonungslos und prĂ€zise aufzuzeigen und zu beschreiben. Bernhards Koketterie mit der Möglichkeit der Selbstrezension ist im Grunde ein Spiel mit der Vorstellung, externe Kommentatoren aus dem GesprĂ€ch ĂŒber das literarische Werk auszuschließen  – und damit die Herrschaft ĂŒber Wert und Unwert, ĂŒber Gelingen und Scheitern des Kunstwerks selbst in der Hand zu haben. Weil er, so Bernhard im 1977 gefĂŒhrten, jedoch erst postum publizierten ‚NachtgesprĂ€ch‘ mit Peter Hamm, „noch nie eine Kritik, ganz wurscht welche, gelesen“ habe, „die nicht ein totales MißverstĂ€ndnis gewesen wĂ€re“, ja weil trotz mancher „richtige[n] Andeutung“ alle Rezensenten „immer daneben“ gelegen hĂ€tten, sei er auf die Idee verfallen, sich selbst um eine adĂ€quate literaturkri- tische Kommentierung seines Schreibens zu kĂŒmmern: „Ich könnt’ sie selbst schreiben, ja, ich könnt’ selbst Kritiken ĂŒber meine Sachen schreiben.“ (TBW 22.2, 129) Auf Hamms Nachfrage, ob es sich denn dabei um „[k]ritische Kriti- ken“ handeln wĂŒrde, antwortet Bernhard mit einem Gemeinplatz skrupulöser Autorschaft: „Ja sicher, ja, das wĂ€r’ interessant. Es ist niemand so kritisch mit allen meinen Sachen wie ich. Ich könnte so vorgehen gegen mich, wie ich gegen meine Figuren. Absolut.“ Statt durch Rezensionen und wissenschaftliche Auf- sĂ€tze unberufener Geister erneut „lauter MißverstĂ€ndnisse“ zu befördern, sei ihm an einem „ZurechtrĂŒcken“ gelegen, das er allerdings nur selbst bewerkstel- ligen könne (TBW 22.2, 129). Peter Handke hat sich, knapp zehn Jahre spĂ€ter, in Ă€hnlicher Weise geĂ€ußert: „Ich könnte ja selber bessere Abhandlungen ĂŒber meine Sachen, denk ich oft, also stichhaltigere verfassen als die meisten, weit- aus das meiste was ich drĂŒber lese.“ Wie Bernhard attestiert sich auch Handke im GesprĂ€ch mit Herbert Gamper die FĂ€higkeit zu einer „fruchtbaren Selbst- kritik“; zögerlich, aber doch bestimmt vergleicht er sie bei dieser Gelegenheit mit der „selbstkritischen Haltung gegenĂŒber dem Dichterberuf“, wie sie Goethe im Torquato Tasso exemplarisch gestaltet habe.95 als Instrument der Selbstpositionierung betrachtet  – Friedrich Schillers Rezeptionspraxis und die SchaubĂŒhne. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 61 (2011), H.  4, S.  395 – 406. 95 Peter Handke: Aber ich lebe nur von den ZwischenrĂ€umen. Ein GesprĂ€ch, gefĂŒhrt von Herbert Gamper. ZĂŒrich: Ammann 1987, S.  226. Vgl. auch die folgenden beiden Notate in Peter Handke: Die Geschichte des Bleistifts. Salzburg, Wien: Residenz 1982, S.  143 f.: „Selbstkritik: In die Leere, in die ich schaute und FĂŒlle phantasierte, trat ein wirklicher Mensch, der mich störte (erst in der Selbstkritik habe ich auch die Empfindung, zu denken)“  – „Schönheit und Trostlosigkeit werden verbunden durch Kritik. Deswegen mĂŒĂŸte mein Schreiben kritischer sein (der starke Atem der Selbstkritik)“. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 373 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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