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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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diesem Punkt, legen doch beide nachdrĂŒcklich Wert auf die Distinktion gegen- ĂŒber Zeitgenossen und Konventionen  – eine Pose, die nicht zuletzt dazu dient, sich gegen Kritik zu immunisieren. Roithamers fataler Solipsismus erkennt nur das eigene Urteil an. Mit dem Bericht von der intellektuellen Selbstbehauptung des Architekten entwirft Bernhards Korrektur auch die Emanzipation seines Protagonisten von den Urteilen und EinschĂ€tzungen Außenstehender, ist dieser doch trotz der offen- sichtlichen Schwierigkeiten seiner Unternehmung „gar nicht daran interessiert, daß andere seinen Kegel, sein Baukunstwerk in Augenschein nahmen“ (TBW 4, 43). SĂ€tze wie dieser fungieren im Roman als Postulate jener radikalen UnabhĂ€n- gigkeit, die Bernhard auch fĂŒr sich selbst in Anspruch genommen und etwa in der Korrespondenz mit Siegfried Unseld des Öfteren pointiert festgehalten hat: „Die Ergebnisse sind wichtig, sonst nichts“, schreibt er im November 1977 nach Abschluss des Manuskripts von Ja (1978),148 um knapp drei Jahre spĂ€ter die abso- lute Konzentration auf sich selbst und den eigenen Maßstab erneut zu betonen: „Ich freue mich ĂŒber eine gelungene Arbeit, das ist alles.“ 149 Unselds Vorschlag, ein „Vorexemplar“ des Romans Korrektur „einem ganz kleinen Kreis unter den Rezensenten“ zur VerfĂŒgung zu stellen,150 hatte Thomas Bernhard im Herbst 1973 entschieden abgelehnt, „weil mich die Kritiker ĂŒber- haupt nicht, und die berĂŒhmtesten am allerwenigsten interessieren.“ 151 Nicht das Urteil der professionellen Leser sollte der Maßstab fĂŒr das Gelingen seiner nĂ€chsten großen Prosaarbeit  – im Übrigen des letzten als „Roman“ ausgewie- senen Buches 152  – sein, sondern die Überzeugung des Autors, sich durch die 148 Bernhard an Unseld, 22. 11. 1977. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  2), S.  527. Vgl. ebd.: „Ich denke, es ist eine Prosa geworden, die mich ‚glĂŒcklich‘ macht  
“ 149 Bernhard an Unseld, 15. 9. 1980. In: ebd., S.  605. 150 Unseld an Bernhard, 29. 8. 1973. In: ebd., S.  388. 151 Bernhard an Unseld, 13. 9. 1973. In: ebd., S.  391. 152 WĂ€hrend Verstörung (1967), Das Kalkwerk (1970) und Korrektur (1975) in den jeweiligen Erst- ausgaben peritextuell als „Roman“ ausgewiesen werden, fehlt diese Gattungsbezeichnung schon im ProsadebĂŒt Frost (1963) sowie bei allen spĂ€teren umfangreichen ProsabĂ€nden wie HolzfĂ€llen. Eine Erregung (1984) oder Auslöschung. Ein Zerfall (1986). Der Untergeher (1983) heißt zwar auf dem Schutzumschlag der Erstausgabe „Roman“, in der Titelei fehlt der Terminus jedoch. In der Bernhard-Forschung, etwa auch im aktuellen Bernhard-Handbuch, werden die fĂŒnf lĂ€n- geren Prosatexte von Beton (1982) bis Auslöschung (1986) meist unkommentiert als „Romane“ bezeichnet, wĂ€hrend andere ohne traditionelle Gattungsbezeichnung gedruckte BĂŒcher wie Ja (1978) und Die Billigesser (1980) den „ErzĂ€hlungen“ zugeschlagen werden.  – Heyl: Zeichen und Dinge (Anm.  111), S.  135, zufolge „erwecken Bernhards Texte den Anschein, sich jeder Klassifikation in Gattungen zu entziehen“; er greift aber deutlich zu kurz, in Bernhards „sehr eigenwillige[n] Gattungszuschreibungen“ „lediglich ein Spiel mit paratextuellen Konventionen“ (ebd.) zu sehen. Laut Billenkamp: Thomas Bernhard (Anm.  26), S.  398, macht es Bernhards „virtuose Handhabung biografischer FaktizitĂ€t und fiktionaler Narration  [
] schwierig[,] seine Rezensionen, die keine sind: Kritik und Selbstkritik bei Thomas Bernhard388 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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